Objektivität: Unterschied zwischen den Versionen

Aus eLearning - Methoden der Psychologie - TU Dresden
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<br/>''Eine objektive Messung von Lautstärke wäre zum Beispiel gegeben, wenn die Dezibel mit einem Schallpegelgerät gemessen würden. Als "laut" würde in der spezifischen Erhebung z.B.  alles über 100 Dezibel gelten. Egal welche Person das Erhebungsinstrument nutzt – das Ergebnis, ab wann ein Geräusch "laut" ist, wird immer das gleiche sein. Anders hingegen sähe es aus, wenn man zur Erhebung von Lautstärke die erhebende Person selbst als "Messinstrument" verwenden würde. Während die eine Person bereits einen Ton von 80 Dezibel als "laut" empfindet, würde eine andere Person das noch als "normal" empfinden – die Messung wäre dann abhängig vom Erhebenden und nicht mehr objektiv.''<br/>
<br/>''Eine objektive Messung von Lautstärke wäre zum Beispiel gegeben, wenn die Dezibel mit einem Schallpegelgerät gemessen würden. Als "laut" würde in der spezifischen Erhebung z.B.  alles über 100 Dezibel gelten. Egal welche Person das Erhebungsinstrument nutzt – das Ergebnis, ab wann ein Geräusch "laut" ist, wird immer das gleiche sein. Anders hingegen sähe es aus, wenn man zur Erhebung von Lautstärke die erhebende Person selbst als "Messinstrument" verwenden würde. Während die eine Person bereits einen Ton von 80 Dezibel als "laut" empfindet, würde eine andere Person das noch als "normal" empfinden – die Messung wäre dann abhängig vom Erhebenden und nicht mehr objektiv.''<br/>
<br/>Objektivität erreicht man durch eine ''Standardisierung'' der Datenerhebung. Der Erhebungsprozess wird dabei in verschiedene Unterbereiche eingeteilt. Die Standardisierung kann bereits in der Vorbereitung, in der Erhebung, oder aber erst in der Auswertung und Interpretation vorgenommen werden. Mit zunehmender Standardisierung nimmt die mögliche Objektivität zu. Man unterscheidet in dem Zusammenhang zwischen der [[Durchführungsobjektivität]], der [[Auswertungsobjektivität]] und der [[Interpretationsobjektivität]].
<br/>Objektivität erreicht man durch eine ''Standardisierung'' der Datenerhebung. Der Erhebungsprozess wird dabei in verschiedene Unterbereiche eingeteilt. Die Standardisierung kann bereits in der Vorbereitung, in der Erhebung, oder aber erst in der Auswertung und Interpretation vorgenommen werden. Mit zunehmender Standardisierung nimmt die mögliche Objektivität zu. Man unterscheidet in dem Zusammenhang zwischen der [[Durchführungsobjektivität]], der [[Auswertungsobjektivität]] und der [[Interpretationsobjektivität]].
<br/><br/>Aus wissenschaftstheoretischer Sicht ist der Begriff der "Objektivität" allerdings zu hinterfragen und sollte, besonders aus Sicht der [[deskriptiven Wissenschaftstheorie]] durch den Begriff ''' "Intersubjektivität" ''' ersetzt werden. <br/>Dahinter steht die Annahme, dass es dem menschlichen Wahrnehmungsapparat schlicht nicht möglich ist, Dinge wirklich objektiv wahrzunehmen, wie sie "faktisch" oder "real" sind (vgl. auch ''kritischer Idealismus'' wie z.B. bei [[David Hume]] - 2.Absatz). Wahrnehmung ist immer von der Subjektivität des menschlichen Wahrnehmungsapparats beeinflusst. <u>Zwischen</u> einzelnen Menschen sollte sich aber diese Subjektivität nicht unterscheiden, also spricht man bei großer interindividueller Übereinstimmung der Urteile von Intersubjektivität – als dem Maßstab, der der Objektivität so nah kommt, wie es Menschen möglich ist. Im Anwendungsbereich, z.B. bei Testkonstruktionen etc. verwendet man auch das Synonym der ''Anwenderunabhängigkeit''. <br/>
<br/><br/>Aus wissenschaftstheoretischer Sicht ist der Begriff der "Objektivität" allerdings zu hinterfragen und sollte, besonders aus Sicht der [[deskriptive_Sichtweise|deskriptiven Wissenschaftstheorie]] durch den Begriff ''' "Intersubjektivität" ''' ersetzt werden. <br/>Dahinter steht die Annahme, dass es dem menschlichen Wahrnehmungsapparat schlicht nicht möglich ist, Dinge wirklich objektiv wahrzunehmen, wie sie "faktisch" oder "real" sind (vgl. auch ''kritischer Idealismus'' wie z.B. bei [[David Hume]] - 2.Absatz). Wahrnehmung ist immer von der Subjektivität des menschlichen Wahrnehmungsapparats beeinflusst. <u>Zwischen</u> einzelnen Menschen sollte sich aber diese Subjektivität nicht unterscheiden, also spricht man bei großer interindividueller Übereinstimmung der Urteile von Intersubjektivität – als dem Maßstab, der der Objektivität so nah kommt, wie es Menschen möglich ist. Im Anwendungsbereich, z.B. bei Testkonstruktionen etc. verwendet man auch das Synonym der ''Anwenderunabhängigkeit''. <br/>




<br/> In der Anwendung unterscheidet man die '''Durchführungs-''', '''Auswertungs-''' und '''Interpretationsobjektivität'''.<br/>
Im jeweiligen Schritt des Erhebungsprozesses wird Objektivität durch die '''Standardisierung''' des vorhergehenden Arbeitsschritts erreicht:<br/>
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==Durchführungsobjektivität== <br/>
Eine hohe Durchführungsobjektivität bedeutet, dass Ergebnisse einer Untersuchung weitgehend unabhängig von der ''erhebenden'' Person sind. Das heißt: Wenn unter gleichen Versuchsbedingungen verschiedene Personen Daten erheben, sollten sich diese nicht bzw. nur gering voneinander unterscheiden.
<br/>Erreicht wird eine hohe Durchführungsobjektivität durch eine '''Standardisierung der Vorbereitung''' (''Trainings, Leitfäden, einheitliche Instruktionen'') als auch der '''[[Erhebung]]''' und '''Situation''' (''einheitliche Situationsbedingungen, protokollieren des Vorgehens, ggf. Nutzung von einheitlichen Erhebungsinstrumenten'').
<br/>Je höher die Durchführung einer Untersuchung standardisiert wird, desto früher im Versuchsverlauf werden die Freiheitsgrade eingeschränkt (Reduktion der „Welt“ auf Daten). Die Untersuchung ist damit sehr [[Objektivität|objektiv]] und [[Reliabilität|reliabel]], jedoch droht durch die Einengung der Situation ein '''Verlust der [[Validität]]''' der Untersuchungsergebnisse (''es stellt sich die Frage: zeigen die Ergebnisse am Ende noch, was gemessen werden sollte?'').
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[[Datei:Durchführungsobjektivität.jpg]] <br/>
==Auswertungsobjektivität== <br/>
Die Forderung nach Auswertungsobjektivität beinhaltet eine Unabhängigkeit der Auswertung der Rohdaten von der ''auswertenden'' Person. Das heißt: wenn verschiedene Personen die Daten auswerten, sollten sich diese nicht bzw. nur gering voneinander unterscheiden.
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<br/>Auch hier trägt eine '''strukturierte Vorbereitung'''  (genaue Beschreibung von Auswertungsregeln und -verfahren) zu einer hohen Objektivität bei. Hilfreich sind dabei auch '''standardisierte Messinstrumente''' (Verwendung von Items mit geschlossenem Antwortformat wie z.B. Multiple-Choice-Aufgaben, Auswertungsschablonen, Computerprogrammen etc.).
<br/>Sind die [http://eswf.uni-koeln.de/glossar/node136.html Freiheitsgrade] einer Messung erst durch die Standardisierung der Auswertung reduziert, ist die Gefahr eines Verlustes der Validität zwar verringert, aber dennoch unter Umständen bedenklich. Möglicherweise kann die "Gesamtobjektivität" (und damit auch die Reliabilität) der Messung gefährdet sein, wenn lediglich die Auswertung standardisiert wird.<br/>
[[Datei: Auswertungsobjektivität.jpg]]<br/>
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''Beispiele für eine standardisierte Erhebung:''
<br/>''Beobachtungsstudien wie z.B. Bandura et al., 1963 ([http://de.wikipedia.org/wiki/Bobo_doll_study Bobo-Doll Experiment])
Es werden in diesem Experiment klare Kriterien zur Auswertung gegeben, bestimmte Verhaltensäußerungen werden gezählt und ihre Einordnung anhand von Regeln festgelegt.''
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==Interpretationsobjektivität== <br/>
Die Interpretationsobjektivität steht für die Unabhängigkeit der ausgewerteten Daten (Messergebnisse) von den individuellen Deutungen der ''interpretierenden'' (urteilsbildenden) Person. Das heißt, wenn unterschiedliche Personen die Daten interpretieren, sollten gleiche Ergebnisse auftreten. Die Interpretationsunabhängigkeit ist umso höher, je standardisierter die Analyse der Daten ist (z.B. genaue Festlegung von Vergleichsmaßstäben und Normtabellen). <br/>
Werden die Freiheitsgrade der Messung erst in der Interpretation reduziert, sind zwar die Versuchsergebnisse hoch in ihrer Validität, jedoch besteht ein Verlust der Reliabilität und vor allem der Objektivität, da die Ergebnisse in hoher Abhängigkeit von der erhebenden, als auch der auswertenden Person stehen können. Damit wird klar, dass eine hohe Interpretationsobjektivität keinesfalls eine hohe Objektivität im Gesamten der Messung bedeuten muss. <br/>
[[Datei: Interpretationsobjektivität.jpg]]
<br/>
<br/>''Beispiel für eine standardisierte Interpretation:
Quantitative Inhaltsanalyse aus dem Textprotokoll eines freien Interviews (Worte werden in vorher definierte Kategorien eingeordnet und gezählt)
[[Datei: BSP Interpretationsobjektivität.jpg]]

Version vom 18. Februar 2015, 18:05 Uhr

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Die Objektivität gewährleistet Unabhängigkeit der Ergebnisse von den Versuchsleitern und -bedingungen als auch eine theoretische und empirische Nachvollziehbarkeit. Praktisch wird versucht, den zusätzlich zum Messfehler hinzukommenden Fehlerwert der Subjektivität zu vermeiden (siehe klassische Testtheorie).

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Eine objektive Messung von Lautstärke wäre zum Beispiel gegeben, wenn die Dezibel mit einem Schallpegelgerät gemessen würden. Als "laut" würde in der spezifischen Erhebung z.B. alles über 100 Dezibel gelten. Egal welche Person das Erhebungsinstrument nutzt – das Ergebnis, ab wann ein Geräusch "laut" ist, wird immer das gleiche sein. Anders hingegen sähe es aus, wenn man zur Erhebung von Lautstärke die erhebende Person selbst als "Messinstrument" verwenden würde. Während die eine Person bereits einen Ton von 80 Dezibel als "laut" empfindet, würde eine andere Person das noch als "normal" empfinden – die Messung wäre dann abhängig vom Erhebenden und nicht mehr objektiv.

Objektivität erreicht man durch eine Standardisierung der Datenerhebung. Der Erhebungsprozess wird dabei in verschiedene Unterbereiche eingeteilt. Die Standardisierung kann bereits in der Vorbereitung, in der Erhebung, oder aber erst in der Auswertung und Interpretation vorgenommen werden. Mit zunehmender Standardisierung nimmt die mögliche Objektivität zu. Man unterscheidet in dem Zusammenhang zwischen der Durchführungsobjektivität, der Auswertungsobjektivität und der Interpretationsobjektivität.

Aus wissenschaftstheoretischer Sicht ist der Begriff der "Objektivität" allerdings zu hinterfragen und sollte, besonders aus Sicht der deskriptiven Wissenschaftstheorie durch den Begriff "Intersubjektivität" ersetzt werden.
Dahinter steht die Annahme, dass es dem menschlichen Wahrnehmungsapparat schlicht nicht möglich ist, Dinge wirklich objektiv wahrzunehmen, wie sie "faktisch" oder "real" sind (vgl. auch kritischer Idealismus wie z.B. bei David Hume - 2.Absatz). Wahrnehmung ist immer von der Subjektivität des menschlichen Wahrnehmungsapparats beeinflusst. Zwischen einzelnen Menschen sollte sich aber diese Subjektivität nicht unterscheiden, also spricht man bei großer interindividueller Übereinstimmung der Urteile von Intersubjektivität – als dem Maßstab, der der Objektivität so nah kommt, wie es Menschen möglich ist. Im Anwendungsbereich, z.B. bei Testkonstruktionen etc. verwendet man auch das Synonym der Anwenderunabhängigkeit.



In der Anwendung unterscheidet man die Durchführungs-, Auswertungs- und Interpretationsobjektivität.
Im jeweiligen Schritt des Erhebungsprozesses wird Objektivität durch die Standardisierung des vorhergehenden Arbeitsschritts erreicht:


==Durchführungsobjektivität==
Eine hohe Durchführungsobjektivität bedeutet, dass Ergebnisse einer Untersuchung weitgehend unabhängig von der erhebenden Person sind. Das heißt: Wenn unter gleichen Versuchsbedingungen verschiedene Personen Daten erheben, sollten sich diese nicht bzw. nur gering voneinander unterscheiden.


Erreicht wird eine hohe Durchführungsobjektivität durch eine Standardisierung der Vorbereitung (Trainings, Leitfäden, einheitliche Instruktionen) als auch der Erhebung und Situation (einheitliche Situationsbedingungen, protokollieren des Vorgehens, ggf. Nutzung von einheitlichen Erhebungsinstrumenten).
Je höher die Durchführung einer Untersuchung standardisiert wird, desto früher im Versuchsverlauf werden die Freiheitsgrade eingeschränkt (Reduktion der „Welt“ auf Daten). Die Untersuchung ist damit sehr objektiv und reliabel, jedoch droht durch die Einengung der Situation ein Verlust der Validität der Untersuchungsergebnisse (es stellt sich die Frage: zeigen die Ergebnisse am Ende noch, was gemessen werden sollte?).

Durchführungsobjektivität.jpg

==Auswertungsobjektivität==

Die Forderung nach Auswertungsobjektivität beinhaltet eine Unabhängigkeit der Auswertung der Rohdaten von der auswertenden Person. Das heißt: wenn verschiedene Personen die Daten auswerten, sollten sich diese nicht bzw. nur gering voneinander unterscheiden.



Auch hier trägt eine strukturierte Vorbereitung (genaue Beschreibung von Auswertungsregeln und -verfahren) zu einer hohen Objektivität bei. Hilfreich sind dabei auch standardisierte Messinstrumente (Verwendung von Items mit geschlossenem Antwortformat wie z.B. Multiple-Choice-Aufgaben, Auswertungsschablonen, Computerprogrammen etc.).
Sind die Freiheitsgrade einer Messung erst durch die Standardisierung der Auswertung reduziert, ist die Gefahr eines Verlustes der Validität zwar verringert, aber dennoch unter Umständen bedenklich. Möglicherweise kann die "Gesamtobjektivität" (und damit auch die Reliabilität) der Messung gefährdet sein, wenn lediglich die Auswertung standardisiert wird.

Auswertungsobjektivität.jpg

Beispiele für eine standardisierte Erhebung:


Beobachtungsstudien wie z.B. Bandura et al., 1963 (Bobo-Doll Experiment)

Es werden in diesem Experiment klare Kriterien zur Auswertung gegeben, bestimmte Verhaltensäußerungen werden gezählt und ihre Einordnung anhand von Regeln festgelegt.



==Interpretationsobjektivität==
Die Interpretationsobjektivität steht für die Unabhängigkeit der ausgewerteten Daten (Messergebnisse) von den individuellen Deutungen der interpretierenden (urteilsbildenden) Person. Das heißt, wenn unterschiedliche Personen die Daten interpretieren, sollten gleiche Ergebnisse auftreten. Die Interpretationsunabhängigkeit ist umso höher, je standardisierter die Analyse der Daten ist (z.B. genaue Festlegung von Vergleichsmaßstäben und Normtabellen).
Werden die Freiheitsgrade der Messung erst in der Interpretation reduziert, sind zwar die Versuchsergebnisse hoch in ihrer Validität, jedoch besteht ein Verlust der Reliabilität und vor allem der Objektivität, da die Ergebnisse in hoher Abhängigkeit von der erhebenden, als auch der auswertenden Person stehen können. Damit wird klar, dass eine hohe Interpretationsobjektivität keinesfalls eine hohe Objektivität im Gesamten der Messung bedeuten muss.

Interpretationsobjektivität.jpg





Beispiel für eine standardisierte Interpretation: Quantitative Inhaltsanalyse aus dem Textprotokoll eines freien Interviews (Worte werden in vorher definierte Kategorien eingeordnet und gezählt)

BSP Interpretationsobjektivität.jpg