Unterscheidung qualitativ - quantitativ
In der folgenden Übersicht sollen die beiden Pole des Spannungsfeldes qualitativer/quantitativer Forschung gegenübergestellt werden.
QUANTITATIV | QUALITATIV |
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Tradition | |
Naturwissenschaft | Geisteswissenschaft |
Gegenstand | |
Natur (Objekt) Verhalten |
Geist/Bewusstsein Erleben |
Ziel (Wilhelm Diltheys Trennung, Nomothetik vs. Idiographik) | |
Erklären (Kausalbeziehung) |
Verstehen (Beschreiben, Hineinversetzen, Nachvollziehen) |
Funktion | |
Prüfung von Hypothesen und Theorien | Exploration, Hypothesengenerierung |
Vorgehen | |
Nomothetisch Manipulierend Variablenorientierung Deduktiv Festlegung Vorgegebene Kategorien Präzise Elementaristisch Sparsam |
Idiografisch Naturalistisch Fallorientierung Induktiv Flexibilität Offene Verfahren Angemessen Holistisch Umfangreich |
Verallgemeinerung | |
Von einer Stichprobe auf die Grundgesamtheit | Von einem Einzelfall auf eine Theorie |
Qualitätskriterien | |
Klassische Gütekriterien: Objektivität Reliabilität Validität |
Noch kein einheitlicher Konsens. Hier nach Mayring (2002): Verfahrensdokumentation Argumentative Interpretationsabsicherung Regelgeleitetheit Nähe zum Gegenstand Kommunikative Validierung Triangulation |
Messinstrumente | |
Personenunabhängige Messinstrumente: z.B. EEG, fMRT, Uhr, Computer |
Der Forscher selbst |
Daten | |
„Hart“, numerisch (evtl. kodiert): Operationalisierung legt Messung und ggf. Quantifizierungsregeln für alle Daten fest -> Präzision, Replizierbarkeit |
Weich“, interpretationsbedürftig: verbales und visuelles Material, das vom Forscher noch stark interpretiert werden muss -> Angemessenheit, Realitätsnähe |
Forschungsprozess | |
Beispielstudien | |
Therapieansätze | |
z.B. kognitive Verhaltenstherapie | z.B. narrative systemische Therapie, Tiefenpsychologie |
Qualitative Forschung
Die qualitative Forschung betont die Notwendigkeit der „differenzierten Einblicke in die subjektive Weltsicht der untersuchten Personen“ (Bortz & Döring, 2006, S. 306) mit speziell zu diesem Zweck entwickelten Verfahren. Sie ist als Gegensatz zur quantitativen Forschung anzusehen, beide Ansätze können sich aber ergänzen.
Der qualitative Ansatz entwickelte sich im Laufe der letzten Jahrzehnte und etablierte sich etwa in den 80er Jahren in Deutschland als eigenständige Disziplin. Er basiert auf verschiedenen Strömungen und vereint Einflüsse der Kritik am quantitativen Vorgehen, der Hermeneutik und Phänomenologie, der Chicagoer Schule und des Positivismusstreits.
Der qualitative Ansatz arbeitet mit „Verbalisierungen der Erfahrungswirklichkeit“ (Bortz & Döring, 2006) und interpretiert diese. Zu den Grundlagen qualitativen Denkens gehört, dass der Gegenstand humanwissenschaftlicher Forschung immer Menschen (Subjekte) sind, die gleichzeitig Ausgangspunkt und Ziel jeder Untersuchung sein sollten. Am Anfang jeder Forschung sollte eine genaue und umfassende Beschreibung des Gegenstandsbereiches stehen. Dieser Gegenstandsbereich liegt in den Humanwissenschaften allerdings niemals völlig offen, sodass er, zusätzlich zu einer reinen Deskription, durch Interpretation erschlossen werden muss. Humanwissenschaftliche Gegenstände sollten zudem möglichst in ihrem natürlichen und alltäglichen Umfeld untersucht werden und die Verallgemeinerbarkeit der Ergebnisse muss immer wieder im Einzelfall schrittweise begründet werden.
Qualitative Forschungsdesigns:
- Einzelfallanalyse
- Dokumentenanalyse
- Handlungsforschung (action research)
- Deskriptive Feldforschung
Erhebungsverfahren qualitativer Forschung:
- Interview
- Gruppendiskussion
- Teilnehmende Beobachtung
- Inhaltsanalyse
Beispiel: Die Bewertung der Valenz einer autobiographischen Erinnerung lässt sich durch eine offene Frage erheben, bei der der Befragte freie Antwortmöglichkeiten hat. Entsprechend erhält man eine Vielzahl von verschiedenen Antworten, die jeweils die subjektive Erfahrungswelt des Befragten hinsichtlich seiner autobiografischen Erinnerung widerspiegelt.
Quantitative Forschung
Die quantitative Forschung orientiert sich an der naturwissenschaftlichen Methodologie mit Messen, Testen und Experimentieren.
Dabei wird ein Ausschnitt aus der Beobachtungsrealität numerisch, also durch Messwerte, beschrieben und anschließend statistisch ausgewertet (Bortz & Döring, 2006). Diese Messwerte können auf unterschiedlichen Skalenniveaus dargestellt werden. Je höher das Skalenniveau dabei ist, desto größer ist auch der Informationsgehalt der erhobenen Daten.
Die Erhebung und Auswertung quantitativer Daten ist – im Vergleich zu qualitativen Daten – zeitökonomisch und ihre Ergebnisse sind leicht vergleichbar. Sie haben aber auch Nachteile, denn die Vielfalt subjektiver Antworten geht bei standardisierten Verfahren zur Erhebung quantitativer Daten verloren (Bortz & Döring, 2006).
Beispiel: Die Bewertung der Valenz einer autobiographischen Erinnerung lässt sich durch eine standardisierte Frage mit festen Antwortmöglichkeiten auf einer 5-stufigen verbal verankerten Ratingskala erheben (sehr positiv – positiv – neutral – negativ – sehr negativ). Durch die Zuordnung von Zahlen zu den fünf Skalenstufen lässt sich die Variable „Valenz“ messen und auswerten.
Gemeinsamkeiten
Neben den extrem gegensätzlichen Eigenschaften der Pole soll auch kurz auf die Gemeinsamkeiten eingegangen werden. Zunächst führen beide Wege der Erkenntnisgewinnung durch das Nadelöhr eines Subjekts, auch die quantitative Forschung, was besonders bei der Wahl der Forschungsfrage und der Interpretation der Daten deutlich wird (Exploration, Reflexivität und Versuchsleitereffekt/ Versuchsleitererwartungseffekt). Sie gehen nur unterschiedlich damit um: Der quantitative Ansatz versucht, diese subjektive Verzerrung zu kontrollieren und zu eliminieren. Der qualitative Ansatz geht davon aus, dass das nicht möglich sei, und macht die Subjektivität deswegen einfach zu einem Kern-Bestandteil des Prozesses.
Des weiteren kann man die Unterscheidung zwischen Erklären und Verstehen in Frage stellen. Beide Ansätze suchen letztlich eine deterministische Erklärung von Verhalten – dabei unterscheiden sich die Theorien in ihrer Formulierung darin, ob diese Erklärungen es nun als elementaristische Kausalzusammenhänge oder als nachvollziehbare Gründe bezeichnet wird. (Trugschluss des Verstehens)