Forschungsprozess

Aus eLearning - Methoden der Psychologie - TU Dresden
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Streng genommen münden der qualitative und der quantitative Ansatz in einen ausschließlich induktiven bzw. deduktiven Forschungsprozess (siehe Induktion und Deduktion). In der Praxis sind aber meist kleinere Kompromisse zwischen diesen beiden Extremen zu verzeichnen bis hin zu bewusster Methodenkombination im Rahmen von Mixed-Methods-Designs.

Der qualitative Forschungsprozess ist darauf ausgerichtet, den Untersuchungsgegenstand in seiner natürlichen Umgebung auf möglichst tiefe Weise zu verstehen. Das Vorgehen zum Erreichen dieses Ziels kann am besten mit dem hermeneutischen Zirkel (siehe auch Wilhelm Diltheys Trennung) beschrieben werden:

Ausgelagerte Bildbeschreibung von Forschungsprozess 1


Ein qualitativer Forscher wählt einen Gegenstand, den er untersuchen möchte, z.B. Studenten in Dresden. Nun macht er sich daran, möglichst unvoreingenommen mit einer sehr offenen Fragestellung (z.B. Wie erleben Dresdener Studenten ihr Studium?) den Gegenstand in seiner natürlichen Umgebung zu beobachten, Gespräche zu führen, Zeit mit ihm zu verbringen und dabei alles zu dokumentieren (-> zuerst Datenerhebung = induktiv). Dadurch verändert sich mehr und mehr sein Vorverständnis von Studenten in Dresden. Im Idealfall begibt er sich ganz in ihre Welt, wird einer von ihnen und teilt mehr und mehr ihre Erlebenswelt. Dabei kann es durchaus vorkommen, dass sich auch seine Fragestellung verändert. Sie kann stets erweitert, konkretisiert oder ganz gewechselt werden. Vielleicht erlebt der Forscher, dass es besonders entscheidend ist, welche sozialen Beziehungen man als Student hat und untersucht fortan diese Frage. Es wird alles dokumentiert, auch der eigene Erlebnisgehalt dabei. Denn den Einfluss der eigenen Person auf den Gegenstand (z.B. durch Freundschaften) versucht der qualitative Forscher nicht zu unterbinden, sondern er nutzt ihn gezielt, um Interaktionen selbst zu erleben und so näher am Untersuchungsgegenstand zu sein. Das Produkt dieses Prozesses sind umfangreiche Aufzeichnungen, die vom Forscher auf Auffälligkeiten, Kategorien und Zusammenhänge hin ausgewertet werden. Die Funktion des qualitativen Forschungsprozesses ist im Endeffekt, neue Theorien zu generieren.

Der streng quantitative Forschungsprozess hat hingegen die Funktion, bereits formulierte Theorien und Hypothesen genau zu überprüfen. D.h. er ist deduktiver Natur: Vor der Datenerhebung werden alle theoretischen Überlegungen getätigt und das Vorgehen genauestens festgelegt. Der quantitative Forscher geht mit einer sehr engen Fragestellung (z.B. was ist der Einfluss der Größe des lokalen Freundeskreises auf den Erfolg im Studium?) in den Prozess. Aus dieser Fragestellung wird nun zunächst eine konkrete Theorie aufgestellt (bzw. an eine bestehende Theorie angeknüpft) und Hypothesen formuliert. Um die Hypothesen auch wirklich genau und glaubhaft zu prüfen, wird versucht Fehlerquellen zu eliminieren und den Einfluss von Störfaktoren zu minimieren (siehe Max-Kon-Min-Prinzip). Auch der Einfluss des Versuchsleiters wird auf ein Minimum reduziert, weil er nur zusätzliche störende Varianz mit in die Erhebung bringt. Die interessierenden Größen werden möglichst objektiv gemessen (Anzahl der Personen, die sich als Freund der Person bezeichnen und auch von der Person als solche bezeichnet werden + Prüfungsergebnisse). Aus der Auswertung der Daten folgt die Bestätigung (Verifizierung) oder Ablehnung (Falsifizierung) der Hypothese und entsprechend eine Stützung bzw. Schwächung der Theorie. Bei der Auswertung der Daten werden häufig auch unerwartete Zusammenhänge oder andere Auffälligkeiten entdeckt. Diese regen meist die Entwicklung neuer Theorien und Hypothesen an (Exploration). An dieser Stelle muss die reine Deduktion unterbrochen werden, da der Forschungsprozess sonst zum Erliegen kommen würde. Denn ohne Induktion würde es zu keiner neuen Fragestellung kommen.

Ausgelagerte Bildbeschreibung von Forschungsprozess 2