Kognitivismus
Die 60er und 70er Jahre bezeichnen besonders in der US-amerikanischen Psychologie die kognitive Wende, weg von einer behavioristischen Sichtweise hin zu eine kognitivistischen.
Die Zentrale Annahme des Kognitivismus ist die, dass sich der menschliche Geist (und das menschliche Gehirn) am besten als informationsverarbeitende Systeme beschreiben lassen. Darauf fußt entsprechend auch ein erneuter Fokus auf mentale Prozesse und damit verbunden die Überlegung, dass beobachtbares Verhalten durchaus auch Rückschlüsse auf die zugehörigen, verborgenen mentalen Prozesse zulässt. Forschungsgegenstand sind dementsprechend mentale Prozesse und Strukturen. Damit stellt der Kognitivismus einen konträren Forschungsansatz zum Behaviorismus dar. (Gewissermaßen erforscht man im Kognitivismus die von den Behavioristen so ernannte „Blackbox“.)
Der Aufschwung des Kognitivismus begann damit, dass der Sprachwissenschaftler Noam Chomsky mit seiner Behaviorismus-Kritik die kognitive Wende einleitete. Chomsky kritisierte vor allem die von B.F. Skinner postulierte behavioristische Sprachtheorie, die den Spracherwerb auf ein Reiz-Reaktions-Muster zu reduzieren versuchte (und der Behaviorismus u.a. deswegen einen wissenschaftlichen Höhepunkt erlebte). Chomsky konnte widerlegen, dass der Spracherwerb auf diese Weise funktioniere. Durch diese Widerlegung und viele andere von ihm angeführten Argumente geriet der so dominante Behaviorismus ins Wanken. Stattdessen wurde in und nach der kognitiven Wende die Betonung wieder mehr auf Kognitionen, also mentale Prozesse und Strukturen, gelegt.
Das Menschenbild des Kognitivismus sieht die menschliche Psyche analog zur Funktionsweise eines Computers (siehe Funktionalismus). Der Kognitivismus bedient sich also des Computermodells als einer Metapher für die menschliche Art und Funktion des Denkens. Wie beim methodologischen und ontologischen Behaviorismus gibt es allerdings auch beim Kognitivismus Abstufungen, inwieweit die Analogie zum Computer gelten soll. Die Strömung der strong AI (artifical intelligence – künstliche Intelligenz) vertritt den Standpunkt, dass Computerprogramme tatsächlich selbst mentale Zustände entwickeln können. Damit entspricht die Strömung einer streng funktionalistischen Sichtweise. Die weak AI dagegen sieht Computerprogramme nur als sehr passende Modelle, mit welchen Kognition sehr realitätsnah abgebildet und simuliert werden kann.
Methodisch folgte der Kognitivismus dem Behaviorismus in seiner Fokussierung auf das Experiment und „naiven“ Versuchspersonen (im Gegensatz zu den geschulten Versuchsleitern des Elementarismus. Es gilt also weiterhin die objektive Beobachtung von außen, allerdings ist es nun erlaubt, auf Basis objektiver Beobachtungen indirekt auf innere (mentale) Prozesse wie Aufmerksamkeit, Ziele, Emotion und Motivation Rückschlüsse zu ziehen. Des Weiteren ist es auch möglich, introspektive Daten mit einzubeziehen, wenn diese auch nicht als so „hart“ und verlässlich wie gemessene Daten angesehen werden.
Kognitive Verhaltenstherapie
Anders als in der bislang vorherrschenden behavioristischen Verhaltenstherapie, die sich nur auf die Aspekte der Reizaufnahme und der Verhaltensausgabe konzentrierte, kann die kognitive Verhaltenstherapie sich differenzierter mit dem Erleben und Verhalten des Menschen auseinandersetzen: Zusätzlich werden im kognitivistischen Ansatz die Reizverarbeitung, Reizbewertung und Reizsteuerung analysiert, mentale Zwischenschritte, die gezeigtes Verhalten auf explizitere Verarbeitungsschritte zurückführen können.
Die Grundannahme der kognitiven Therapie ist es, dass das menschliche Verhalten dadurch bestimmt ist, wie eine Person denkt. Im Fokus der Therapie steht der Versuch, diese sogenannten "Denkmuster" (Konstrukte oder Schemata) des Patienten ausfindig zu machen um diese ggf. zu verändern, insofern diese Muster fehlangepasst sind und sich verhaltensstörend auswirken.
Der US-amerikanische Psychologe George Alexander Kelly stellte beispielsweise eine sehr ausführliche Konstrukttheorie auf, die zu erklären versucht, wie bestimmte Denkmuster entstehen.
Wenn ein Klient seine Denkmuster mithilfe des Psychologen erkannt hat, muss er diese Muster auf ihre Angemessenheit überprüfen. Wenn bestimmte Kognitionen sich als irrational herausstellen, werden diese korrigiert. Das bedeutet, dass die Einstellung des Patienten zu bestimmten Reizen (Situationen, Verhalten anderer etc.) verändert wird und sich daraus in der Konsequenz das Verhalten des Klienten zum Positiven verändert.
Ein Beispiel aus der Sozialpsychologie: feindselige Attribution
Personen, die ein sehr aggressives, feindseliges Verhalten an den Tag legen, obwohl die Situation "objektiv" betrachtet keinen Anlass dazu bietet, könnten dem Denkmuster der "feindseligen Attribution" unterlegen sein. Wenn solche Personen z.B. in einem vollen Bus versehentlich angerempelt werden, reagieren sie wütend und empört, da sie dem Verursacher eine böse Absicht unterstellen. Sie fühlen sich von der "Welt" unfair behandelt und reagieren darauf mit Aggression.
In der Therapie wird versucht, den Betroffenen andere Sichtweisen auf unklare Situationen zu eröffnen (unklar im Bus-Beispiel wäre, ob das Anrempeln eine böswillige Absicht, oder ein Versehen war). Sie lernen, ihre Denkweise zu erkennen ("ich unterstelle Leuten oft böse Absichten"), zu korrigieren ("die meisten Menschen haben keine böse Intention mir gegenüber") und in der Folge ihr Verhalten anzupassen ("das Anrempeln war nur ein Versehen, also werde ich auch nicht schimpfen").