Hypothesen

Aus eLearning - Methoden der Psychologie - TU Dresden
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Eine wissenschaftliche Hypothese ist eine Aussage, die man als Forscher aufgrund einer Theorie für wahrscheinlich hält, aber (noch) nicht belegt hat. Es sind vorläufige, vermutete Antworten auf wissenschaftliche Fragen – oder: „provisorisches Wissen“.

Hypothesen sind gewissermaßen der „Mittelmann“ zwischen Theorien und der Realität. Sie dienen dem Entwurf von Studien, die spezifische Theorien überprüfen. [Für ein Schaubild der Relation siehe „Erklären“.]
Eine Hypothese drückt eine Kausalrelation zwischen Variablen aus muss empirisch untersuchbar, d.h. vor allem auch falsifizierbar (siehe Kritischer Rationalismus (Popper)), sein. Sie sollte sowohl intern als auch extern (in Bezug auf bereits bestehende Annahmen und Befunde) widerspruchsfrei sein.

Bezüglich der Gültigkeit unterscheidet man 3 Arten von Hypothesen:

  • die universellen : wenn a, dann b
  • die beschränkt universellen: wenn a1 und a2, dann b
  • die quasi-universellen Hypothesen: wenn a, dann meist b (diese liefern eine Wahrscheinlichkeitsaussage und werden daher auch statistische Hypothesen genannt – nicht zu verwechseln mit inferenzstatistischen Hypothesen!)

Bezüglich der Rolle im Forschungsprozess wird zwischen (inferenz-)statistischen, operationalen, und Forschungshypothesen unterschieden (siehe Operationalisierung).

Wichtige Merkmale wissenschaftlicher Hypothesen (nach Bortz & Döring, 2005):

1. Empirische Untersuchbarkeit Wissenschaftliche Hypothesen müssen reale Sachverhalte beinhalten, die empirisch untersuchbar sind.
2. Konditionalsatzformulierung Wissenschaftliche Hypothesen müssen zumindest implizit die Form eines sinnvollen Wenn-Dann-Satzes oder eines Je-Desto-Satzes zugrunde liegen haben.
3. Generalisierbarkeit und Allgemeinheitsgrad Wissenschaftliche Hypothesen müssen Aussagen über den Einzelfall oder ein singuläres Ereignis hinaus machen.
4. Falsifizierbarkeit Wissenschaftliche Hypothesen müssen widerlegbar (falsifizierbar) sein.


Beispiele:

  • Frustrierte Menschen reagieren aggressiv (Frustrations-Aggressions-Hypothese).
  • Intelligentere sind im Berufsleben erfolgreicher.
  • Mit zunehmender Müdigkeit sinkt die Konzentrationsfähigkeit.
  • Frau Müller leidet immer bei schwülem Wetter an Migräne.


Hypothesenarten

Hypothesen werden in verschiedene Arten eingeteilt:

Nach ihrem Aussagebereich in:
Universelle Hypothesen Existentielle Hypothesen Hypothesen über Anteile
alle Elemente der Grundgesamtheit mindestens ein Fall Prozentsatz oder Bereich
Alle Menschen brauchen Nahrung um zu überleben. Mindestens ein Mädchen spielt lieber mit Autos als mit Puppen. 5% aller Jugendlichen hatten schon einmal eine Panikattacke.
Bei der Untersuchung einer Stichprobe nur falsifizierbar Bei der Untersuchung einer Stichprobe nur verifizierbar Bei der Untersuchung einer Stichprobe weder falsifizierbar noch verifizierbar


Nach dem Grad der Konkretisierung in:
Forschungshypothesen (Inhaltliche Hypothese) Operationale Hypothesen Statistische Hypothesen
Aus der Theorie abgeleitete Vermutung, Formulierung beinhaltet Konstrukte Konstrukte sind operationalisiert, ein Ausgang des Forschungsprozesses wird prognostiziert Das statistische Hypothesenpaar besteht aus der Alternativhypothese und der Nullhypothese
z.B. Frustrierte Menschen reagieren aggressiv z.B. Durch unlösbare Aufgabenstellung frustrierte Versuchspersonen äußern im Durchschnitt mehr Flüche und Schimpfwörter als Versuchspersonen mit leicht zu lösenden Aufgaben. H1: μVG > μKG


Nach ihrem Untersuchungsziel in:
Zusammenhangshypothesen Unterschiedshypothesen Veränderungshypothesen
Zwischen mind. 2 Merkmalen wird ein Zusammenhang postuliert Mind. 2 Stichproben werden miteinander verglichen Mind. 1 Vorhermessung wird mit mind. 1 Nachhermessung verglichen
z.B. Im Winter leiden Menschen unter Depression z.B. Extravertierte verhalten sich in einer Gruppe von Menschen anders als Introvertierte z.B. Je öfter eine Versuchsperson einen Intelligenztest ausfüllt, umso höher wird die Punktzahl


Nach ihrer Gerichtetheit in:
Ungerichtete Hypothesen Gerichtete Hypothesen
es besteht ein Zusammenhang, es gibt einen Unterschied es besteht ein negativer/positiver Zusammenhang, ist mehr/weniger, größer/kleinerverglichen
z.B. Kinder und Erwachsene unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Impulsivität z.B. Kinder sind impulsiver als Erwachsene


Nach ihrer Spezifität in:
Unspezifische Hypothesen Spezifische Hypothesen
keine Größe des Zusammenhangs angegeben Größe des Zusammenhangs genannt
z.B. Müde Versuchspersonen reagieren langsamer als muntere. z.B. Müde Versuchspersonen reagieren doppelt so langsam wie muntere.



Alternativhypothese

Die Alternativhypothese ist die statistische Formalisierung der inhaltlichen Forschungsfrage. In Untersuchungen sollen in der Regel Effekte nachgewiesen werden. Daher entspricht die Altnernativhypothese meistens der statistischen Annahme, dass Effekte, Unterschiede, Zusammenhänge oder Veränderungen vorliegen. Sie wird so formuliert, dass sie den Annahmen über die Verteilung des betreffenden Merkmals oder der betreffenden Merkmale in der Population entspricht. Die Alternativhypothese (H1) ist neben der Nullhypothese (H0) ein Teil des statistischen Hypothesenpaares. Die Verneinung der Alternativhypothese entspricht der Nullhypothese. Wird die Nullhypothese abgelehnt, entscheidet man sich für die Annahme der Alternativhypothese. Lässt sich die Nullhypothese nicht ablehnen, so wird sie beibehalten. (Vgl. Alpha-Fehler, Beta-Fehler)

Beispielhafte Formalisierung:
Inhaltliche Hypothese Alternativhypothese Nullhypothese
Kinder und Erwachsene unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Impulsivität. μKinder ≠ μErwachsene μKinder = μErwachsene
Extravertierte haben im Durchschnitt mehr Freunde als Introvertierte. μextra > μintro μextra ≤ μintro
Es gibt einen Zusammenhang zwischen Intelligenz und Berufserfolg. ρIE ≠ 0 ρIE = 0


(Das Zeichen μ steht für den Gruppenmittelwert in der Grundgesamtheit. Das Zeichen ρ steht für den Korrelationskoeffizienten in der Grundgesamtheit.)


Nullhypothese

Die Nullhypothese (H0) entspricht der komplementären statistischen Annahme zur Alternativhypothese. Sie widerspricht der Alternativhypothese (H1) und bildet dadurch die statistischen Verneinung der inhaltlichen Forschungshypothese.
In Untersuchungen sollen in der Regel Effekte nachgewiesen werden. Daher nimmt sie meistens an, dass keine Effekte vorliegen. Sie „drückt inhaltlich immer aus, dass Unterschiede, Zusammenhänge, Veränderungen oder besondere Effekte in der interessierenden Population überhaupt nicht und/oder nicht in der erwarteten Richtung auftreten.“ (Bortz & Döring, 2005, S.28).