Raffinierter Falsifikationismus (Lakatos)

Aus eLearning - Methoden der Psychologie - TU Dresden
Version vom 24. Januar 2015, 22:08 Uhr von Diana (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „{{Nav|Navigation|Normativ-Wertfrei|Wissenschaftstheorie}} Der raffinierte Falsifikationismus ist eine Wissenschaftstheorie, die annimmt, dass Falsifikation ni…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der raffinierte Falsifikationismus ist eine Wissenschaftstheorie, die annimmt, dass Falsifikation nicht endgültig bzw. nicht zwingend rational ist und dass mehrere Theorien nebeneinander bestehen können.
Imre Lakatos verwarf die Annahme seines Lehrers Karl Popper, falsifizierte Theorien müssten aufgegeben werden. Er sprach von „naivem Falsifikationismus“, da dieser andere Gründe für widersprüchliche Daten in naivem Geiste außer Acht lässt. Laut Lakatos führen solche Daten zunächst nur zu einem Widerspruch, aus dem es verschiedene Auswege geben kann. Es kann sein, dass die Theorie inkonsistent ist – jedoch kann die Ursache auch in der unzureichenden Qualität der Messung oder unpassenden Randbedingungen liegen.

Lakatos geht weiterhin davon aus, dass Theorien nie isoliert, sondern nur als Teile größerer Theoriensysteme und Methodenregeln, sogenannter „Forschungsprogramme“, beurteilt werden können. Langfristig können aber auch diese widerlegt werden. In dieser Konzeption bestehen Theorien aus einer Grundannahme, einem „harten Kern“, und einem „Schutzgürtel“ von Hilfshypothesen um diesen Kern herum. Tritt nun ein Widerspruch zwischen Theorie und Daten auf, so kann ein Ausweg aus dem Widerspruch sein, ad hoc Hilfshypothesen zu erstellen, die diesen Widerspruch auflösen. Wird eine Theorie um immer mehr stützende Hilfshypothesen erweitert, so wird dieser Ausweg degenerative Problemverschiebung genannt. (Die Theorie „Bei geöffnetem Fenster wird der Raum kalt.“ Könnte an einem Sommertag zu einem Widerspruch führen. Die Hilfshypothese „Dies trifft nur im Winter zu.“ würde den Widerspruch auflösen.) Der zweite Ausweg aus dem Widerspruch besteht darin, eine Theorie durch eine andere mit höherem Gehalt zu ersetzten, die also auch neue Phänomene erklären kann. Diesen Ausweg nennt man progressive Problemverschiebung.

Insgesamt ist laut dem raffinierten Falsifikationismus der Fortschritt der Wissenschaft keine kontinuierliche Annäherung an die Wahrheit, sondern eine Aneinanderreihung von Problemverschiebungen von einer auf die nächste Theorie. Man gelangt hierbei jedoch trotzdem mit der Zeit auf immer höhere Stufen, die konsistentere Theorien enthalten.