Wiederholungsmessung

Aus eLearning - Methoden der Psychologie - TU Dresden
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Wiederholungsmessung ist die Untersuchung ein und desselben Versuchsteilnehmers unter sämtlichen experimentellen Bedingungen (Sarris, 1990). Damit werden personelle Störvariablen bei verschiedenen Stufen der UV konstant gehalten. Sie zählt zu den Kontrolltechniken zur Kontrolle der Sekundärvarianz in Experimenten.

Ebenso wie Randomisierung und Blockbildung hat die Wiederholungsmessung das Ziel, interindividuelle Störvariablen auszuschließen. Zusätzlich hat die Wiederholungsmessung den Vorteil, dass die Störvariablen dem Versuchsleiter nicht bekannt sein müssen und dass im Gegensatz zur Randomisierung eine relativ kleine Stichprobengröße ausreichend ist. Die einfache Wiederholungsmessung hat jedoch auch viele Nachteile. Einflussgrößen auf die interne Validität wie Reifung, Zeiteinflüsse, Testeffekte und Sequenzeffekte können bei einem solchen Design wirksam werden. Durch Ausbalancieren (siehe unten) der Reihenfolge bzw. durch Zufallsabfolge werden diese Effekte kontrolliert.

Wiederholungsmessung ist also nur eingeschränkt anwendbar. Es sollte stets darauf geachtet werden, dass die zu messenden Variablen nicht den oben genannten Einflussgrößen unterliegen oder dass diese zumindest in der Interpretation berücksichtigt werden. Ergebnisse, die auf der Grundlage von vorgetesteten Personen entstanden sind, lassen sich beispielsweise nicht auf nicht vorgetestete Personen generalisieren (vgl. Externe Validität).

Es ergeben sich also durch Messwiederholung sowohl Einschränkungen für die interne Validität als auch Einschränkungen für externe Validität.

Beispiel

Herr Müller möchte untersuchen, ob Menschen eine Gefahrensituation in Abhängigkeit von der Fahrgeschwindigkeit schneller bzw. langsamer erkennen. Ihm stehen zehn Versuchspersonen zur Verfügung, die er per Zufall aus einer Grundgesamtheit gewonnen hat. Seine UV, also die Fahrgeschwindigkeit, ist aber fünffach gestuft (10 km/h, 30 km/h, 50 km/h, 80 km/h, 120 km/h). Ein Randomisierungsexperiment mit so wenigen Versuchspersonen ist unmöglich. Deswegen entscheidet er sich für die Wiederholungsmessung. Jede der zehn Versuchspersonen durchläuft alle fünf Stufen der UV. Damit erhält Herr Müller trotz der geringen Probandenzahl eine ganze Reihe Daten. Außerdem hält er mit diesem Design alle interindividuellen Störvariablen konstant und kann ausschließen, dass etwa Intelligenz oder Alter einen Effekt auf seine Messwerte gehabt haben könnten. Leider hat dieser Versuchsaufbau eine sehr geringe externe Validität.

Ausbalancierung

Untersuchungen mit Wiederholungsmessung sind dann ausbalanciert, wenn die Reihenfolge der experimentellen Bedingungen ausgeglichen variiert wird.

In Untersuchungen mit mehreren Stufen einer unabhängigen Variablen können Sequenzeffekte auftreten. Um diesen Effekten vorzubeugen, sollte die Abfolge der experimentellen Bedingungen ausbalanciert werden. Dies geschieht in einem Zweistichprobenplan mit Wiederholungsmessung indem die eine Hälfte der Probanden mit Bedingung A beginnt und im Anschluss Bedingung B erhält, während die andere Hälfte der Probanden die Bedingungen genau anders herum erhält. Je mehr Stufen der UV untersucht werden, umso komplizierter wird das Ausbalancieren. Wichtig ist, dass die Reihenfolge der einzelnen Bedingungen variiert wird, sich möglichst nicht wiederholt oder gleichmäßig verteilt ist. Man kann die Reihenfolge der Bedingungen auch per Zufall zuteilen, allerdings nur dann, wenn eine genügend hohe Anzahl an Versuchspersonen verfügbar ist (Gesetz der großen Zahlen). Die Ausbalancierung ist dem Versuchsplan nicht zu entnehmen, da die einzelnen Messwerte pro Bedingung über die gesamten Probanden zu Mittelwerten zusammengefasst werden.

Arten von Ausbalancierung

Wenn die Stimuli des Versuchs keine wiederholte Präsentation am Probanden zulassen, also nur eine Messung pro Bedingung möglich ist (z.B. durch starke Übungseffekte bei Stimuli für Lernexperimenten), dann muss interindividuell ausbalanciert werden. Dazu zählen das vollständige- und das unvollständige Ausbalancieren. Wenn es aber möglich ist, mehrere Messungen pro Bedingung durchzuführen (z.B. in der Psychophysik), dann ist es ökonomischer, intraindividuell auszubalancieren. Hierzu zählen die ABBA-Balancierung sowie die Block-Randomisierung.


Interindividuell: Vollständiges Ausbalancieren

Beim vollständigen Ausbalancieren wird interindividuell ausbalanciert. Die Sequenz der Stimuli variiert also zwischen den Probanden, wobei jede mögliche Sequenz vergeben werden muss. Für jede Sequenz wird dann ein Proband benötigt. Bei drei Bedingungen ergeben sich z.B. 6 mögliche Sequenzen:

ABC, ACB, BCA, BAC, CAB, CBA

Die Anzahl der möglichen Sequenzen errechnet sich hierbei durch 3 x 2 x 1 = 6 = 3! (Fakultät), allgemein: Bedingungenanzahl! (Fakultät). Hier liegt der Nachteil dieser Balancierung, denn diese Anzahl der möglichen Sequenzen steigt mit mehr Bedingungen explosionsartig in die Höhe: 4 Bedingungen = 24 Sequenzen = 24 Versuchspersonen 5 Bedingungen = 120 Sequenzen = 120 Versuchspersonen


Interindividuell: Unvollständiges Ausbalancieren

Beim unvollständigen Ausbalancieren wird auch interindividuell ausbalanciert genauso wie beim vollständigen Ausbalancieren - nur dass nicht alle Sequenzen vergeben werden müssen, sondern zufällig einige aus allen möglichen Sequenzen ausgewählt werden. So ist es z.B. möglich bei 3 Bedingungen nur 4 statt 6 Versuchspersonen einzusetzen. Das Problem dieser Vorgehensweise ist, dass sich zufällig Bedingungen an bestimmten Stellen häufen können. Werden für die 4 Versuchspersonen z.B. die Sequenzen ABC, ACB, CAB, CBA gewählt, dann war die Bedingung B nie an erster Stelle, dafür aber häufiger an zweiter und dritter Stelle. Eine Lösung dieses Problems bietet das lateinische Quadrat. Dabei werden die Sequenzen nicht zufällig gewählt, sondern im Beispiel anhand eines 3x3 Quadrates, in dem jeder Buchstabe pro Zeile und Spalte nur einmal vorkommt:

A B C
B C A
C A B

Nun kann jede Zeile als Sequenz für eine Versuchsperson genommen werden. So ist jede Bedingung einmal an jeder Stelle und die Anzahl der gebrauchten Versuchspersonen ist nur so groß wie die Anzahl der Bedingungen. Solche Pläne sind allerdings nur in Bezug auf die Haupteffekte ausbalanciert, nicht aber in Bezug auf Interaktionseffekte, da nicht jede mögliche Kombination untersucht wird.


Intraindividuell: ABBA-Balancierung

Die ABBA-Balancierung ist eine intraindividuelle Balancierung. D.h. jede Bedingung wird an einem Probanden mehrfach gemessen und so kann die Reihenfolge variiert werden. Bei ABBA wird jede Bedingung zweimal gemessen, wobei beim zweiten Messdurchgang die Sequenz umgedreht wird. Bei 4 Bedingungen ergibt sich so z.B.:

A B C D D C B A

Durch diese Balancierung können Übungs- und Ermüdungseffekte kompensiert werden. Problematisch ist jedoch die Gefahr der Vorhersehbarkeit durch die Probanden.


Intraindividuell: Block-Randomisierung

Die Block-Randomisierung ist eine intraindividuelle Ausbalancierung. Im Gegensatz zur ABBA-Balancierung wird hier die Sequenz nicht gespiegelt, sondern in den einzelnen Messdurchgängen (Blöcken) randomisiert (z.B. ABDC, BCDA, CADB, CABD ...). Dabei sind allerdings viele Messdurchgänge (Blöcke) notwendig, damit wirklich alle Sequenzeffekte ausgeschlossen werden können. Eine Lösung für dieses Problem könnte sein, die randomisierten Blöcke auf verschieden Probanden aufzuteilen. Allerdings entspricht dies im Prinzip wieder einer unvollständigen Ausbalancierung.


Beispiel:

In einer Studie zum Einfluss des Schwierigkeitsgrades eines Puzzles auf die Frustrationsäußerungen werden 6 PsychologiestudentInnen untersucht. Die drei verschieden schweren Puzzles (leicht, mittel und schwer) werden den Probanden nacheinander vorgelegt. Dabei wird darauf geachtet, dass die Reihenfolge ausbalanciert wird (Vollständige Ausbalancierung):

Proband 1. Bed. 2. Bed. 3. Bed.
1 leicht schwer mittel
2 leicht mittel schwer
3 schwer mittel leicht
4 schwer leicht mittel
5 mittel leicht schwer
6 mittel schwer leicht