Standardisiertes Interview: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 18. November 2021, 15:25 Uhr
Das standardisierte Interview ist eine Art der Erhebung, die durch streng vorgegebene Fragen charakterisiert ist – es handelt sich sozusagen um einen mündlich erhobenen Fragebogen.
Bei der Entwicklung dieses Fragebogens sind idealerweise ähnliche Kriterien zu beachten wie beim Skalieren und der Erstellung von Tests– die Items eines Tests entsprechen hierbei den einzelnen Fragen eines Fragebogens.
Die vorgegebenen Antwortalternativen werden im Interview entweder durch die Interviewer vorgelesen, oder die Teilnehmer geben offene Antworten, welche die Interviewer dann kategorisieren. Letzteres ermöglicht den Teilnehmern spontanere Antworten– außerdem wird die Suggestivität reduziert: Teilnehmer passen ihre Antworten weniger an den Interviewer an, ein „Anchoring und Adjustment“ wird vermieden.
(Beispiel: Wenn die Frage lautet „Wie oft trinken Sie in der Woche Alkohol“ und die Alternativen lauten: „1x, 2x, häufiger“, dann verrät das einem Teilnehmer, der 3x in der Woche Alkohol trinkt, dass er innerhalb der Befragung bereits als Vieltrinker gilt – er könnte sich deshalb lieber, aber fälschlicherweise, in die 2x einordnen)
Um eine Befragung zu standardisieren müssen umfassende Vorkenntnisse über das Thema vorhanden sein. Nur so können die Fragen angemessen formuliert und erschöpfende Antwortalternativen gewählt werden. Um außerdem den Zeitrahmen einer solchen Befragung abschätzen zu können, sind oftmals Pretests (s.u.) erforderlich.
Um eine möglichst qualitativ hochwertige Befragung durchzuführen, bietet sich eine Unterteilung in 5 Punkte der Vorbereitung/Vorüberlegung an:
Mikro-Planung
Es werden die Inhalte der Themenbereiche und anschließend die einzelnen Antwortalternativen herausgearbeitet. Hierfür kann Vorwissen aus explorativen Designs, Experteninterviews, Literatur, oder eigenen Ressourcen genutzt werden.
Die Fragen können offen, halboffen, oder geschlossen sein (siehe Tests).
Generell gelten die gleichen Anforderungen wie an Items beim Skalieren. Sie sollten unter anderem kurz und präzise sein, nicht negativ formuliert werden, und in Schwierigkeit und Inhalten an die Teilnehmer angepasst sein. Außerdem sollten nur Fragen verwendet werden, die für die Erhebung wirklich notwendig sind, anstatt die Befragung unnötig in die Länge zu ziehen.
Makro-Planung
Diese betrachtet das Problem der guten Befragung aus etwas größerer Distanz: wie steigen die Interviewer in die Befragung ein, we passen sie zueinander, wie endet die Befragung. Im Fokus steht also die Fragenreihenfolge.
Der Anfang sollte durch „Eisbrecherfragen“ eine sanfte Eröffnung bieten.
Falls es im Interview Themenwechsel gibt, sollten diese durch gute Übergänge eingeleitet werden.
Es kann sein, dass sogenannte „[Filterfragen]“ enthalten sind, welche die Struktur maßgeblich beeinflussen. (Die Frage, ob die Versuchsperson raucht, kann z.B. als Filterfrage dienen. Nur wenn die Antwort „Ja“ ist, wird nachgefragt, wie viele Zigaretten pro Tag sie raucht.)
Letzlich können teiweise Assoziationen wachgerufen werden, die die Teilnehmer in der Beantwortung der nachfolgenden Fragen beeinflussen („Halo-Effekt“) – dieser Ausstrahlungseffekt lässt sich durch Ablenkungs- und Pufferfragen abschwächen. Allerdings kann dieser Effekt auch bewusst eingesetzt werden, um die Assoziationen der Befragten bei den Folgefragen zu lenken – in diesem Fall spricht an von Trichterung.
Außerdem spielen ähnliche Punkte wie bei der Gestaltung von Tests zur Vermeidung von Verzerrungen eine große Rolle , wie z.B die Ausgewogenheit der Fragen-Polung und wie abwechslungsreich die Befragung ist. Schließlich sollte die Befragung einen angemessenen und positiven Abschluss finden (inklusive respektvoller Danksagung etc.). Das Ziel ist schließlich, dass der Befrage auch beim nächsten Mal wieder mit einem guten Gefühl teilnimmt.
Pretests_
Diese lassen sich verstehen als eine Art Testsample: die Befragung wird probehalber mit einigen Personen durchgeführt, um einen Eindruck des Ablaufs zu erhalten – hierbei fallen häufig noch einige Unstimmigkeiten auf.
In Entwicklungspretests wird die Befragung auf verschiedene Aspekte getestet um grundsätzliche Probleme zu erkennen und auszuräumen.
Typische qualitative Techniken richten sich an die Befragten. Man fordert sie auf, die ihnen gestellten Fragen zu paraphrasieren (wodurch Unverständlichkeiten offengelegt werden), oder bittet sie, ihre Gedanken während der Antwortsuche laut zu äußern („Think Aloud Method“).
Typische quantitative Techniken können auf Seiten des Interviewers angewandt werden. Diese können dann bestimmte Beobachtungen (z.B. Nachfragen des Befragten, lange Pausen) in einer extra Spalte notieren („Interaction coding“), oder nach der Befragung in Zusatzfragen besondere Beobachtungen äußern.
Abschlusspretests befassen sich dann mit dem letzten Schliff an der Befragung. So kann zum Beispiel die Fragenreihenfolge noch einmal angepasst, oder das Interview im Allgemeinen noch gekürzt werden.
Interviewer
Interviewer sollten den Befragten komplett zufällig zugeordnet werden. Es ist wichtig, sicherzustellen, dass keiner der Interviewer besondere Merkmale besitzt, die mit dem Thema der Befragung in Zusammenhang stehen. (Bei einem Interview über Rassismus könnte z.B. ein Fragensteller, der offensichtlich zu einer diskriminierten ethnischen Minderheit gehört, zu Verzerrungen führen.)
Gute Interviewer sind aufmerksam, psychisch belastbar (notwendig für angemessenen Umgang mit Problemen), selbstkritisch und anpassungsfähig. Sie können ihr eigenes Verhalten gut kontrollieren und besitzen eine ausgeprägte Allgemeinbildung, sowie umfangreiches Wissen über das Befragungsthema (allerdings nicht über die Hypothesen hinter der Befragung).
Um diese Qualitäten zu sichern und Unterschiede zwischen den Interviewern zu minimieren, werden entsprechende Schulungen durchgeführt. Diese enthalten nicht nur Informationen über den Inhalt der Befragung, sondern auch über ihren Aufbau. Man behandelt die korrekte Aufzeichnung der Antworten und den Umgang mit Schwierigkeiten während des Interviews.
Teilnehmer
Letztlich ist es wichtig, einige Überlegungen bezüglich der Teilnehmer anzustellen.
Wird durch Unterschiede in ihrer Erreichbarkeit schon eine unabsichtliche, konfundierende Vorauswahl getroffen (siehe auch "Rücklaufquote" bei der schriftlichen Befragung)? (Wenn die Befragung bspw. ausschließlich über Email oder zu einer bestimmten Uhrzeit telefonisch durchgeführt wird, kommt es zu einer Unterrepräsentation bestimmter Bevölkerungsgruppen.)
Aus welchen Gründen könnten Befragte die Teilnahme verweigern (bzw. aus welchen Gründen haben sie dies bereits getan) – und kann man dem entgegenwirken?
Gleiches gilt für einzelne Fragen: rührt die Verweigerung einer Antwort von Meinungslosigkeit, Uninformiertheit, Unentschlossenheit, oder einem anderen Grund her? (Um dies zu erfahren, können Interviewer vor kritischen Fragen zunächst in Erfahrung bringen, ob die Teilnehmer die Frage an sich beantworten möchten.)
All diese Maßnahmen dienen letztlich dazu, die Validität, Reliabilität und Objektivität einer Befragung gegen die Verzerrungen zu sichern, welche bei einer Befragung auftreten können.