Physiologie

Aus eLearning - Methoden der Psychologie - TU Dresden
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Die Physiologie erfasst mittels objektiver Messmethoden körperliche Größen, welche z.B. mit bestimmten Stimmungen oder kognitiven Prozessen zusammenhängen. Diese werden unterschieden in Periphere Maße (u.a. Herz-Kreislauf-Aktivität, Hautleitfähigkeit (EDA), Muskelaktivität (EMG)) und in Maße des Zentralen Nervensystems (u.a. EEG, fMRT, MEG).

Grundlagen und Probleme physiologischer Erhebungsmethoden

Die jeweiligen Erhebungsmethoden und Messgeräte haben zwar eine hohe Objektivität, da sie relativ wenig durch die Probanden beeinflusst werden können. Zur Sicherstellung der wissenschaftlichen Qualität ist aber u.U. sogar noch mehr Aufwand nötig als bei einfachen Verhaltenmethoden. So leidet die Reliabilität vor allem unter sogenannten Artefakten. Das sind scheinbare Zusammenhänge bzw. Signalausschläge, die beim Messen gefunden werden, die aber gar nicht vom interessierenden physiologischen Signal des Untersuchungsgegenstands herrühren sondern unbeabsichtigt künstlich entstehen z.B. durch andere Störeinflüsse auf die Methode oder Fehler bei der statistischen Auswertung. Störeinflüsse auf die Methode können physiologischer Herkunft sein (z.B. Atmung beeinflusst Herzschlag, Blinzeln überlagert Hirnströme, „Spontane“ Fluktuationen). Sie können aber z.B. auch durch Bewegung entstehen (z.B. Veränderung von Sensorpositionen) oder durch externe Einstreuungen (z.B. Elektrische oder Magnetische Felder aus Stromleitungen, die Hirnströme überlagern). Die Validität kann darunter leiden, dass meistens der genaue Zusammenhang zwischen den gemessenen physiologischen Aktivitäten und psychologischen Konstrukten unklar ist. Z.B. wie genau das Angsterleben mit den dabei aktiven Hirnarealen (fMRT) zusammenhängt (siehe zur Vertiefung: Leib-Seele-Problem) bzw. was die genaue Ursache des Zusammenhangs ist. Die Objektivität ist schließlich dadurch gefährdet, dass Versuchleiter und Auswertende aufgrund der Komplexität der Mess- und Auswertungsmethoden viele Entscheidungen treffen müssen, für welche es oftmals mehrere oberflächlich gleichwertige Möglichkeiten gibt. Erfahrung und Sachverstand sind hier unerlässlich.

Die Gefahr eines Verlusts wissenschaftlicher Qualität kann bei physiologischen Methoden nicht genug betont werden, denn physiologische Studien suggerieren häufig eine hohe Verlässlichkeit und Vertrauenswürdigkeit selbst wenn es nicht angemessen ist. So fand z.B. eine Studie von McCabe & Castel (2007) fand heraus, dass das bloße Vorhandensein von Gehirnbildern in Studienberichten bereits einen positiven Einfluss auf die Beurteilung der Sinnhaftigkeit der Schlussfolgerungen in den Studien hat. Letztlich sind auch die oftmals hohen kosten, bereits beim Einsatz von EEG und besonders beim Einsatz von fMRT zu bedenken und in der Wahl der Methoden miteinzubeziehen.

Artefakte durch Fehler beim Sampling

Heutige Grundlage für physiologische Methoden ist die Digitalisierung (numerische Kodierung) der physiologischen Aktivitäten, um sie am Computer auswerten zu können. Die Aktivitäten sind in ihrem Verlauf meistens wellenartig, sich wiederholend (z.B. der Herzschlag oder Aktionspotentiale von Neuronen) und bestehen aus einer Mischung mehrerer Frequenzen (in Hertz = Ausschlag pro Sekunde). Beim Digitalisieren muss darauf geachtet werden, dass die Abtastrate (also die Frequenz der Messungen = Samplingfrequenz) doppelt so hoch ist, wie die maximal mögliche Signalfrequenz (Nyquistfrequenz). Ansonsten könnte es vorkommen, dass man einen oder mehrere Signalausschläge zu erfassen versäumt (Samplingartefakt oder Aliasing). Beim Hören hat der Mensch z.B. ein wahrnehmbares Tonspektrum von 20 – 20.000 Hertz. Das heißt eine Audiodatei muss mit einer Samplingfrequenz von mindestens 40.000 Hertz aufgenommen und gespeichert werden (eine Audio CD hat daher z.B. 44.100 Hz Samplingfrequenz).

Richtig

Ausgelagerte Bildbeschreibung von Artefakte durch Sampling

Falsch (falsches Signal, Samplingartefakt)

Ausgelagerte Bildbeschreibung von Artefakte durch Sampling

Artefakte durch Fremdsignale

Neben Samplingartefakten ist ein weiteres Problem, dass physiologische Signale meist sehr schwach sind. Sie müssen also zunächst verstärkt werden. Damit werden aber auch Rauschen und andere Fremdsignale als Artefakte mit verstärkt. Bei EEG können die z.B. Einstreuungen durch das Stromnetz sein (ein anspringende Neonröhre, Mobiltelefone), Bewegungen der Versuchsperson, der Herzschlag, oder Augenbewegungen. Wenn man diese Artefakte bereits zur Messung vermeidet oder minimiert, erleichtert das die spätere Auswertung erheblich bzw. ermöglicht es dieser überhaupt erst (bedenke das Prinzip der statistischen Analyse: garbage in – garbage out).

Das Spezifitätsproblem und die Ausgangswertproblematik

Physiologische Signale sind nicht bei jedem Menschen gleich – sie variieren von Mensch zu Mensch, jeder reagiert physiologisch etwas anders (Spezifitätsproblem). Damit zusammen hängt die Ausgangswertproblematik: zeigt eine Person bereits in einer Grundbedingung eine starke physiologische Reaktion, ist es schwieriger, diese Reaktion in einer anderen Bedingung noch erheblich zu verstärken. Je höher das Ausgangsniveau, desto kleiner der Zuwachs – je niedriger das Ausgangsniveau, desto größer der Zuwachs.

Schließlich gibt es noch das Problem der Wahl einer Baseline: bei der Auswertung ist es nicht leicht, einen Vergleichspunkt für die Signalausschläge zu finden, denn meistens gibt es keine Nullaktivität (z.B. Gehirn und Herzschlag sind immer aktiv). Wie soll man nun unterscheiden, was eine Aktivierung und was ein Ruhezustand ist? Hierzu muss häufig eine valide Baseline definiert werden, welche der Bedingung des Interesses gleicht, bis auf den einen Prozess, der interessiert. Um im EEG die emotionale Reaktion auf gelesene Wörter zur untersuchen, genügt als Baseline nicht einfach nur eine Messung der Spontanaktivität. Stattdessen sollten die Versuchspersonen in der Baseline-Bedingung auch Wörter lesen, nur eben keine, welche (starke) Emotionen hervorrufen.