Ex-Post-Facto Designs: Unterschied zwischen den Versionen

Aus eLearning - Methoden der Psychologie - TU Dresden
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Das Problem der kausalen Reihenfolge ergibt sich aus der Tatsache der einmaligen und gleichzeitigen Erhebung aller Daten. In dem Beispiel bedeutet das konkret: Werden die Zehntklässler gleichzeitig sowohl zu ihrem Lernverhalten, als auch zum Alkoholkonsum befragt, so lässt sich keine Aussage darüber treffen, welche Variable welche verursacht. Ein destruktives Lernverhalten könnte zu erhöhtem Alkoholkonsum geführt haben, ebenso wie ein erhöhter Alkoholkonsum das Lernverhalten verschlechtert haben kann. Deswegen ist es bei einer einmaligen ex-post-facto Messung wichtig, dass durch geeignete Fragestellungen eine Vorhermessung nachträglich simuliert wird. Es wäre denkbar, den Schülern zwei Mal die Frage nach ihrem Alkoholkonsum zu stellen und dabei den jetzigen Zeitpunkt und einen früheren Zeitpunkt mit einzubeziehen.
Das Problem der kausalen Reihenfolge ergibt sich aus der Tatsache der einmaligen und gleichzeitigen Erhebung aller Daten. In dem Beispiel bedeutet das konkret: Werden die Zehntklässler gleichzeitig sowohl zu ihrem Lernverhalten, als auch zum Alkoholkonsum befragt, so lässt sich keine Aussage darüber treffen, welche Variable welche verursacht. Ein destruktives Lernverhalten könnte zu erhöhtem Alkoholkonsum geführt haben, ebenso wie ein erhöhter Alkoholkonsum das Lernverhalten verschlechtert haben kann. Deswegen ist es bei einer einmaligen ex-post-facto Messung wichtig, dass durch geeignete Fragestellungen eine Vorhermessung nachträglich simuliert wird. Es wäre denkbar, den Schülern zwei Mal die Frage nach ihrem Alkoholkonsum zu stellen und dabei den jetzigen Zeitpunkt und einen früheren Zeitpunkt mit einzubeziehen.


Ein weiteres zentrales Problem der ex-post-facto Forschung ist die Kontrolle von Drittvariablen. Die Einwirkung der UV kann im ex-post-facto Design nämlich nicht zufällig auf die Probanden verteilt werden. Das schlechte Lernverhalten aus dem obigen Beispiel könnte zum Beispiel nicht nur durch Alkoholkonsum, sondern auch durch den Erziehungsstil der Eltern bedingt sein. Der Erziehungsstil wäre in diesem Fall eine Drittvariable, die dem zu untersuchenden Zusammenhang vorausgeht (anteszendierende Drittvariable) und damit die Korrelation zwischen Alkoholkonsum und Lernverhalten mitbestimmt. Eine Drittvariable kann aber auch als [[Moderatorvariable]] (oder auch intervenierende Variable) wirksam werden, indem sie zwischen der unabhängigen und der [[abhängige Variablen|abhängigen Variable]] auftritt. Liegt keine bivariate Korrelation zwischen UV und AV vor, so spricht man hingegen von einer verdeckten Beziehung. Um dem Problem der mangelnden Kontrolle von Drittvariablen zu begegnen, ist es wichtig, theoretisch sinnvolle Drittvariablen zu operationalisieren und ebenfalls zu erheben. Auf dieser Grundlage lassen sich Kontrollhypothesen bilden. Werden die Kontrollhypothesen nicht bestätigt, so spricht das für eine Bestätigung der ursprünglichen [[Hypothesen|Hypothese]].
Ein weiteres zentrales Problem der ex-post-facto Forschung ist die Kontrolle von Drittvariablen. Die Einwirkung der UV kann im ex-post-facto Design nämlich nicht zufällig auf die Probanden verteilt werden. Das schlechte Lernverhalten aus dem obigen Beispiel könnte zum Beispiel nicht nur durch Alkoholkonsum, sondern auch durch den Erziehungsstil der Eltern bedingt sein. Der Erziehungsstil wäre in diesem Fall eine Drittvariable, die dem zu untersuchenden Zusammenhang vorausgeht (anteszendierende Drittvariable) und damit die Korrelation zwischen Alkoholkonsum und Lernverhalten mitbestimmt. Eine Drittvariable kann aber auch als [[Kovariablen|Moderatorvariable]] (oder auch intervenierende Variable) wirksam werden, indem sie zwischen der unabhängigen und der [[abhängige Variablen|abhängigen Variable]] auftritt. Liegt keine bivariate Korrelation zwischen UV und AV vor, so spricht man hingegen von einer verdeckten Beziehung. Um dem Problem der mangelnden Kontrolle von Drittvariablen zu begegnen, ist es wichtig, theoretisch sinnvolle Drittvariablen zu operationalisieren und ebenfalls zu erheben. Auf dieser Grundlage lassen sich Kontrollhypothesen bilden. Werden die Kontrollhypothesen nicht bestätigt, so spricht das für eine Bestätigung der ursprünglichen [[Hypothesen|Hypothese]].


In der ex-post-facto Forschung können unerwünschte Selektionseffekte auf zwei Weisen wirksam werden. Zum einen können sie sich bei der Auswahl von Personen auf Grund ihrer Merkmalsausprägung in der AV auswirken. Zum anderen können sie auch bei der Auswahl von Personen auf Grund der Merkmalsausprägung in der UV wirken.
In der ex-post-facto Forschung können unerwünschte Selektionseffekte auf zwei Weisen wirksam werden. Zum einen können sie sich bei der Auswahl von Personen auf Grund ihrer Merkmalsausprägung in der AV auswirken. Zum anderen können sie auch bei der Auswahl von Personen auf Grund der Merkmalsausprägung in der UV wirken.

Version vom 19. April 2016, 09:32 Uhr

Ein Ex-post-facto Design ist ein Untersuchungsdesign, bei dem durch nachträgliche Analysen mögliche unabhängige Variablen (UVs) bestimmt werden, welche die gegenwärtige Situation beeinflusst haben könnten.

Ex-post-facto Forschung ist ein systematischer empirischer Forschungsprozess, bei dem der Forscher keine direkte Kontrolle der unabhängigen Variablen vornimmt, da deren Auswirkungen bereits eingetreten sind, oder diese unabhängigen Variablen nicht systematisch manipulierbar sind. Sie dient einerseits der Bestandsaufnahme, andererseits der Hypothesengenerierung. Echte Kausalaussagen lassen sich allerdings nicht treffen.

Ziel von Ex-post-facto Forschung ist es, Beziehungen zwischen Variablen in real verfügbaren Situationen zu entdecken. Häufig ist es nicht möglich, die interessierenden Faktoren zu manipulieren. Dazu gehören Organismusvariablen wie das Alter oder die Körpergröße, aber auch längerfristig wirkende Variablen wie beispielsweise das soziale Umfeld oder das Herkunftsland. Die Gruppen werden also bereits vorgefunden. Das Herstellungsmoment, welches ein experimentelles Untersuchungsdesign charakterisiert, fällt demzufolge weg. Ex-post-facto Pläne gehören entsprechend zu den nicht-experimentellen Untersuchungsformen.

Formalisierung

Grundsätzlich sind ex-post-facto Pläne aufgebaut wie experimentelle Pläne. Das Design wird durch ein E gekennzeichnet. Das Treatment wird gewöhnlich in Klammern gesetzt und mit einem Fragezeichen versehen, um den hypothetischen Charakter der UV zu verdeutlichen.

Ex-post-facto1.jpg

Der Forscher versucht in einer ex-post-facto Untersuchung eine nachträgliche Sortierung der unabhängigen Variable vorzunehmen. Es werden zu einem einzigen Zeitpunkt alle Daten (sowohl die UV, als auch die AV) erhoben. Ein Kausalzusammenhang zwischen unabhängiger und abhängiger Variable kann dabei kaum festgestellt werden, da das wichtige Kriterium der zeitlichen Differenz zwischen Ursache und Wirkung nicht gegeben ist. Erst durch bestimmte methodische Kontrollstrategien und nachträgliche statistische Kontrolle können vorsichtige Kausalinterpretationen zugelassen werden (Sarris, 1992, S. 177 f.) Ex-post-facto Forschung geht mit einigen methodischen Problemen einher:

  1. Probleme der Varianz der unabhängigen Variable
  2. Probleme der kausalen Reihenfolge
  3. Probleme der Kontrolle von Drittvariablen

Um diesen Problemen zu begegnen, lassen sich verschiedene methodische Strategien anwenden. Zunächst ist es wichtig, Informationen über die Verteilung der unabhängigen Variablen in der potentiellen Befragtengruppe zu erheben. Wenn zum Beispiel untersucht werden soll, ob der Alkoholkonsum unter Zehntklässlern einen Einfluss auf das Lernverhalten hat, so sollte man vorher sicherstellen, dass tatsächlich eine hinreichend große Zahl alkoholkonsumierender Zehntklässler existiert. Ist dies nicht der Fall, ist die Überprüfung der systematischen Korrelation von unabhängiger und abhängiger Variable kaum möglich.

Das Problem der kausalen Reihenfolge ergibt sich aus der Tatsache der einmaligen und gleichzeitigen Erhebung aller Daten. In dem Beispiel bedeutet das konkret: Werden die Zehntklässler gleichzeitig sowohl zu ihrem Lernverhalten, als auch zum Alkoholkonsum befragt, so lässt sich keine Aussage darüber treffen, welche Variable welche verursacht. Ein destruktives Lernverhalten könnte zu erhöhtem Alkoholkonsum geführt haben, ebenso wie ein erhöhter Alkoholkonsum das Lernverhalten verschlechtert haben kann. Deswegen ist es bei einer einmaligen ex-post-facto Messung wichtig, dass durch geeignete Fragestellungen eine Vorhermessung nachträglich simuliert wird. Es wäre denkbar, den Schülern zwei Mal die Frage nach ihrem Alkoholkonsum zu stellen und dabei den jetzigen Zeitpunkt und einen früheren Zeitpunkt mit einzubeziehen.

Ein weiteres zentrales Problem der ex-post-facto Forschung ist die Kontrolle von Drittvariablen. Die Einwirkung der UV kann im ex-post-facto Design nämlich nicht zufällig auf die Probanden verteilt werden. Das schlechte Lernverhalten aus dem obigen Beispiel könnte zum Beispiel nicht nur durch Alkoholkonsum, sondern auch durch den Erziehungsstil der Eltern bedingt sein. Der Erziehungsstil wäre in diesem Fall eine Drittvariable, die dem zu untersuchenden Zusammenhang vorausgeht (anteszendierende Drittvariable) und damit die Korrelation zwischen Alkoholkonsum und Lernverhalten mitbestimmt. Eine Drittvariable kann aber auch als Moderatorvariable (oder auch intervenierende Variable) wirksam werden, indem sie zwischen der unabhängigen und der abhängigen Variable auftritt. Liegt keine bivariate Korrelation zwischen UV und AV vor, so spricht man hingegen von einer verdeckten Beziehung. Um dem Problem der mangelnden Kontrolle von Drittvariablen zu begegnen, ist es wichtig, theoretisch sinnvolle Drittvariablen zu operationalisieren und ebenfalls zu erheben. Auf dieser Grundlage lassen sich Kontrollhypothesen bilden. Werden die Kontrollhypothesen nicht bestätigt, so spricht das für eine Bestätigung der ursprünglichen Hypothese.

In der ex-post-facto Forschung können unerwünschte Selektionseffekte auf zwei Weisen wirksam werden. Zum einen können sie sich bei der Auswahl von Personen auf Grund ihrer Merkmalsausprägung in der AV auswirken. Zum anderen können sie auch bei der Auswahl von Personen auf Grund der Merkmalsausprägung in der UV wirken.

Übersicht

Problem Kontrollmethode
…der Varianz der abhängigen Variable Vorab Angaben über die Verteilung der UV in der potentiellen Untersuchungsgruppe Nachträgliche statistische Kontrolle
…der kausalen Reihenfolge der Variablen Vorhermessung durch geeignete Fragestellungen nachträglich simulieren Nachträgliche statistische Kontrolle
…der Kontrolle von Drittvariablen Prüfung von Kontrollhypothesen Nachträgliche statistische Kontrolle


Vorteile Nachteile
* Unvermeidbar - in Psychologie und Erziehungswissenschaften nicht zu umgehen * Grenzen der Interpretation; großes Risiko unzulässiger Interpretation
* Praktikabel - Existenz von Variablen, die nicht gezielt veränderbar sind * Keine Manipulation der UV
* Keine Randomisierung möglich
* Mangel an Kontrolle


Beispiel (nach Sarris, 1992, S. 178 f.):

Der Forscher Christiansen überprüfte 1935 die Hypothese: „Je größer der Lernerfolg eines Schülers auf der Oberschule, desto sicherer bedingt dies dessen späteren wirtschaftlichen Wohlstand und umgekehrt.“, indem er älteres Datenmaterial ex-post-facto auswertete. Aus Schulabgängern des Jahres 1926 stellte er eine Stichprobe von 2000 Fällen zusammen und teilte sie in Schüler mit, und Schüler ohne Abschlusszeugnis ein. Daraufhin suchte er so viele dieser Personen wie möglich auf und interviewte sie. Nach einer Analyse der Daten ergaben sich zwei Schulleistungsgruppen mit je 145 Gruppenmitgliedern, die sich auch in sechs weiteren Variablen glichen. Hierzu zählten die Durchschnittsnote, das Alter, das Geschlecht, der Beruf des Vaters, der soziale Status der Nachbarschat sowie die Nationalität der Eltern. Damit war es Christiansen gelungen, durch eine differenzierte statistische Kontrolle der (möglichen) Störbedingungen, die beiden Gruppen weitgehend zu parallelisieren. Nur die interessierende Variable Schulleistung unterschied sich damit systematisch in den beiden Gruppen. Es zeigte sich, dass sich Schüler ohne Schulabschlusszeugnis hinsichtlich des Einkommens nicht wesentlich von Schülern mit Abschlusszeugnis unterschieden, sodass die Ausgangshypothese nicht bestätigt werden konnte.