ACT-R: Unterschied zwischen den Versionen
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Kognitive Architekturen wie ACT-R zeigen, wie man unterschiedliche Aspekte der Informationsverarbeitung in ein globaleres Modell integrieren und durch Simulationen quantitative Werte daraus gewinnen kann, die sich direkt mit den Messungen aus empirischen Studienvergleichen lassen. Auch lässt sich dieser Ansatz innerhalb eines großen Spektrums von Problemen einsetzen, allerdings mit den derzeitigen Versionen allerdings nur für relativ einfache Mechanismen, wie die Buchstabenerkennung. | Kognitive Architekturen wie ACT-R zeigen, wie man unterschiedliche Aspekte der Informationsverarbeitung in ein globaleres Modell integrieren und durch Simulationen quantitative Werte daraus gewinnen kann, die sich direkt mit den Messungen aus empirischen Studienvergleichen lassen. Auch lässt sich dieser Ansatz innerhalb eines großen Spektrums von Problemen einsetzen, allerdings mit den derzeitigen Versionen allerdings nur für relativ einfache Mechanismen, wie die Buchstabenerkennung. |
Version vom 8. Oktober 2018, 18:42 Uhr
„All that there is to intelligence is the simple accrual and tuning of many small units of knowledge that in total produce complex cognition. The whole is no more than the sum of its parts, but it has a lot of parts.” (John R. Anderson, 1996)
Unter diesem Prinzip erschuf der Psychologe John R. Anderson Mitte der neunziger Jahre die Adaptive Control of Thought – Rational (ACT-R), eine kognitive Architektur, deren Anspruch die Beschreibung und Integration zentraler Grundmechanismen menschlicher Kognition ist. Wie andere kognitive Architekturen funktioniert sie ähnlich einer Programmiersprache, über die wissenschaftliche Hypothesen durch Modellierung von kognitiven Aufgaben, Simulation von Verhaltensdaten und empirischem Abgleich getestet werden können.
Aufbau und Bestandteile
Eine Veranschaulichung der groben Zusammensetzung von ACT-R sowie der neuronalen Implementierung ihrer Bestandteile ist in der folgenden Abbildung zu sehen:
Wie das Zitat am Anfang nahelegt, löst ACT-R das Problem komplexer Informationsverarbeitung über die Zusammenarbeit mehrerer Einheiten oder Module, jedes dazu bestimmt, eine andere Form von Information zu verarbeiten. Folgende Module sind Teil dieser Architektur (es sind aber auch weitere definiert):
- Visuelles Modul: Identifiziert Objekte im visuellen Feld
- Manuelles Modul: Kontrolliert die Bewegung der Hände
- Deklaratives Modul: Ruft Informationen aus dem Gedächtnis ab
- Ziel Modul: Überwacht und zeichnet momentane Ziele und Intentionen auf
Diese Module werden in ihrer Ausführung durch ein Zentrales Produktionssystem kontrolliert, welches anschließend ein bestimmtes Verhalten erzeugt. Es kann jedoch auf den Großteil der Modul-Aktivität nicht reagieren. Stattdessen greift das Produktionssystem nur auf eine begrenzte Menge an Informationseinheiten (Chunks) aus den Modulen zurück, die in deren Zwischenspeichern (Buffer) gelagert ist. Dieses Prinzip soll menschliche Informationsverarbeitung nachahmen, bei der auch nicht alle Informationen des Langzeitgedächtnisses oder des visuellen Feldes direkt ins Bewusstsein gelangen sondern nur ein kleiner relevanter Teil. Aus den Speichern kann das Produktionssystem Informationsmuster erkennen und ggf. Veränderungen in ihnen hervorrufen. Dabei greift es auf sog. Produktionsregeln zurück, WENN-DANN Anweisungen, deren Bedingungskomponente (WENN) die aktuelle Belegung bestimmter Speicher ist (z.B. enthält der visuelle Speicher einen Chunk einer gewissen Objektkategorie) und die Aktionskomponente (DANN) Änderungen an den Speichern durchführt (z.B. einen Chunk einfordern, verändern oder löschen), sobald die Bedingung erfüllt ist. Die Veränderungen können anschließend an die Module weitergeleitet werden. Die Speicher jedes Moduls schicken die Informationen also zum Produktionssystem und bekommen Informationen von diesem zurück. So können auch die Module nur über die Informationen kommunizieren, die sie ihren Speichern zur Verfügung stellen.
Das Produktionssystem funktioniert durch drei Schritte: Zuerst sollen Muster erkannt und zum aktuellen Systemzustand passende Produktionsregeln gefunden werden (Abgleich). Danach werden ggf. Konflikte erkannt und aufgelöst (Selektion). Schließlich folgt die kontrollierte Ausführung der geplanten Aktionen (Ausführung). Eine wichtige Funktion der Produktionsregeln liegt in der Aktualisierung der Zwischenspeicher für deren weitere, mit neuem Inhalt versehene Nutzung im nächsten Verarbeitungszyklus. Der Ablauf eines ACT-R Modells verläuft in solchen Zyklen, welche auf 50 ms festgelegt sind. Diese Zahl hat sich auch in anderen Architekturen wie SOAR oder EPIC durchgesetzt.
Die einzelnen Bestandteile der Architektur sind bestimmten Hirnregionen zugeteilt (siehe Klammern in der obigen Abbildung). Zum Beispiel wird der Ziel-Speicher, der den aktuellen Zustand für die Problemlösung aufrechterhält, mit dem Dorsolateralen Präfrontalen Cortex (DLPFC) assoziiert, dessen Funktionen u.a. die Planung und Organisation motorischer Handlungen, perzeptuelle Integration und Kontrolle des Arbeitsgedächtnisses umfassen. Das Produktionssystem von ACT-R ist eng mit den Basalganglien verknüpft, welche Regulation und Integration wichtiger Funktionen im Bereich der Motorik, Kognition und Emotion erfüllen.
Beispiel: Deklaratives Modul
Die Arbeitsweise der Module soll beispielhaft anhand des deklarativen Moduls veranschaulicht werden:
Die große Menge an Informationen im deklarativen Gedächtnis macht es unmöglich, diese gleichzeitig für die Aufgabenbearbeitung heranzuziehen, zumal viele Chunks irrelevant oder in bestimmten Fällen gar störend sein können. Aus diesem Grund müssen die wichtigsten Informationen ausgewählt werden. Diese Auswahl wird in ACT-R als Chunk-Aktivierung Ai bezeichnet. Sie ist abhängig von der allgemeinen Nützlichkeit des Chunks für vergangene Problemlösungen Bi und der Relevanz eines Items j im aktuellen Kontext. Letzteres wird beeinflusst durch die Aufmerksamkeitsgewichtung wj und der Assoziationsstärke des Elements mit dem Chunk sij:
Wobei fanj die Anzahl der mit dem Element j assoziierten Fakten ist und S ein in der Regel auf ungefähr 2 festgelegter Parameter.
Die Größe von Bi richtet sich nach dem Potenzgesetz des Vergessens: Je weiter die letzte Aktivierung k in der Vergangenheit liegt (tk), desto irrelevanter ein Chunk für die Problemlösung. Dabei ist d ein Parameter für die Vergessensrate.
Alles in allem ergibt sich also die Aktivierung eines Chunks aus folgender Formel:
Die Chunk-Aktivierung beeinflusst wiederrum die Abrufwahrscheinlichkeit und -verzögerung für diesen Chunk, sofern die Aktivierung eine bestimmte Schwelle überschritten hat.
Software
ACT-R liegt aktuell in der Version 7 vor und kann für Windows und Mac OS als Standalone-Anwendung direkt verwendet werden. Die Oberfläche von ACT-R 7 besteht aus mehreren getrennten Fenstern, von denen in der unteren Abbildung links das Control Panel (Zugang zu ACT-R Funktionen), rechts oben der Stepper (Schritt-für-Schritt Ausführung eines Modells) und rechts unten der Listener (Konsole für Ausgabe von Statusinformationen und Eingabe von Befehlen) für das Modell „addition“ aufgeführt werden.
Zusammenfassung
Kognitive Architekturen wie ACT-R zeigen, wie man unterschiedliche Aspekte der Informationsverarbeitung in ein globaleres Modell integrieren und durch Simulationen quantitative Werte daraus gewinnen kann, die sich direkt mit den Messungen aus empirischen Studienvergleichen lassen. Auch lässt sich dieser Ansatz innerhalb eines großen Spektrums von Problemen einsetzen, allerdings mit den derzeitigen Versionen allerdings nur für relativ einfache Mechanismen, wie die Buchstabenerkennung.