Klassische Testtheorie: Unterschied zwischen den Versionen

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Eine Datenerhebung ist nie exakt. In der psychologischen Forschung können verschiedenste Verzerrungseffekte dafür sorgen, dass der gemessene Wert vom "eigentlichen" Wert abweicht. Die klassische Testtheorie postuliert theoretische Grundannahmen (Axiome) darüber, wie ein Messwert in einer Erhebung zustande kommt.
1. Axiom
<br/>Die Formel '''X=T+E''' besagt, dass sich der erhobene Messwert X grundsätzlich durch die Addition des wahren Wertes T (''true'') und eines Fehlerwertes E (''error'') ergibt.
<br/>''Wenn man die "wahre" Intelligenz einer Person messen möchte, könnte der Fehlerwert beispielsweise dadurch entstehen, dass die Person zum Zeitpunkt der Erhebung gerade müde oder besonders munter ist oder dass sie bei einem Item diesmal die 3 statt einer 2 ankreuzt.''
2. Axiom
<br/>Bei wiederholter Erhebung wird sich der Mittelwert des Messfehlers E an Null annähern. Der Mittelwert vieler Messwerte X nähert sich dadurch dem wahren Wert T. 
<br/>In Formeln ausgedrückt bedeutet dies '''M(E) = 0 --> M(X)= M(T) + M(E) = T+0 = T'''
<br/>''Lauras Körpergröße wird von Versuchspersonen (VP) mehrfach mit einem Zollstock gemessen. Bei der ersten Messung liest die Versuchsperson etwas ungenau ab und notiert sich statt dem wahren Wert 1,60m den Messwert 1,58m (Fehlerwert= -0,02). Die zweite VP liest einen Messwert von 1,59m ab (FW = -0,01), die dritte einen Messwert von 1,64m (FW = 0,04) usw. Das 2. Axiom geht davon aus, dass der Durchschnitt aller Fehlerwerte Null sein wird. Wenn man also alle Messwerte der VP zusammenzählt und durch deren Anzahl teilt, würde man bei ausreichend häufiger Messung auf den Messwert 1,60m kommen (= der wahre Wert).''
3. Axiom
<br/>Der Fehlerwert E ist vollkommen unabhängig vom wahren Wert T.
<br/>''Angenommen, der wahre IQ-Wert einer durchschnittlich intelligenten Person läge bei 100. Da zum Erhebungszeitpunkt im Labor störender Baulärm zu hören ist, schneidet sie um 2 Punkte schlechter ab. (X= T+E= 100-2=98). Eine hochintelligente Person ist ebenfalls vom Baulärm gestört und schneidet deshalb ebenfalls um 2 Punkte schlechter ab (z.B. X=T+E =110-2=108). ''
<br/>Dieses Axiom geht also davon aus, dass die Ausprägung des gemessenen Konstrukts die Stärke des Einflusses eines Störfaktors nicht verändert.
4. Axiom
<br/>Der Fehlerwert E in einer Erhebung ist ebenfalls unabhängig vom wahren Wert anderer nicht gemessener Eigenschaften T'.
<br/>''Bei einer Intelligenzmessung ist der entstehende Fehlerwert unabhängig von anderen Eigenschaften der Person: Zwei Personen, die allgemein ähnliche Leistungsbeeinträchtigungen durch Zugluft im Testraum erleben, unterscheiden sich nicht in ihrem Fehlerwert bzgl. des Intelligenztests, auch wenn die eine Person z.B. sehr stark neurotizistisch veranlagt und die andere Person aber z.B. sehr extrovertiert ist. (Dies schließt natürlich NICHT aus, dass sich verschiedene Eigenschaften unterschiedlich auf den wahren Wert auswirken können, es handelt sich hier nur um den Messfehler!)''
5. Axiom
<br/>Wird eine Messung mehrfach ausgeführt, sind die entstehenden Messfehler bei jeder Durchführung (E1, E2, E3...) völlig unabhängig.
<br/>''Lisa misst die Körpergröße von Paul mehrfach hintereinander mit einem Zollstock. Beim ersten Mal liest sie etwas ungenau ab und notiert sich statt dem wahren Wert 1,87 den Messwert 1,85. Dass dieses Mal einen Fehlerwert von -0,02 entstand, hat keinerlei Einfluss darauf, wie ungenau bzw. genau Lisa bei der nächsten Messung ablesen wird.)
Vereinfacht gesagt sollen die o.g. Axiome ausdrücken, dass alle Messfehler rein zufällig sind.
Die klassische Testtheorie und ihre Annahmen sind – wie viele Theorien in der Psychologie - hinterfragbar. Sie bildet aber eine gute Grundlage, um sich mit den Gütekriterien wissenschaftlichen Arbeitens auseinanderzusetzen.

Aktuelle Version vom 28. April 2017, 10:07 Uhr

Eine Datenerhebung ist nie exakt. In der psychologischen Forschung können verschiedenste Verzerrungseffekte dafür sorgen, dass der gemessene Wert vom "eigentlichen" Wert abweicht. Die klassische Testtheorie postuliert theoretische Grundannahmen (Axiome) darüber, wie ein Messwert in einer Erhebung zustande kommt.

1. Axiom
Die Formel X=T+E besagt, dass sich der erhobene Messwert X grundsätzlich durch die Addition des wahren Wertes T (true) und eines Fehlerwertes E (error) ergibt.
Wenn man die "wahre" Intelligenz einer Person messen möchte, könnte der Fehlerwert beispielsweise dadurch entstehen, dass die Person zum Zeitpunkt der Erhebung gerade müde oder besonders munter ist oder dass sie bei einem Item diesmal die 3 statt einer 2 ankreuzt.

2. Axiom
Bei wiederholter Erhebung wird sich der Mittelwert des Messfehlers E an Null annähern. Der Mittelwert vieler Messwerte X nähert sich dadurch dem wahren Wert T.
In Formeln ausgedrückt bedeutet dies M(E) = 0 --> M(X)= M(T) + M(E) = T+0 = T
Lauras Körpergröße wird von Versuchspersonen (VP) mehrfach mit einem Zollstock gemessen. Bei der ersten Messung liest die Versuchsperson etwas ungenau ab und notiert sich statt dem wahren Wert 1,60m den Messwert 1,58m (Fehlerwert= -0,02). Die zweite VP liest einen Messwert von 1,59m ab (FW = -0,01), die dritte einen Messwert von 1,64m (FW = 0,04) usw. Das 2. Axiom geht davon aus, dass der Durchschnitt aller Fehlerwerte Null sein wird. Wenn man also alle Messwerte der VP zusammenzählt und durch deren Anzahl teilt, würde man bei ausreichend häufiger Messung auf den Messwert 1,60m kommen (= der wahre Wert).

3. Axiom
Der Fehlerwert E ist vollkommen unabhängig vom wahren Wert T.
Angenommen, der wahre IQ-Wert einer durchschnittlich intelligenten Person läge bei 100. Da zum Erhebungszeitpunkt im Labor störender Baulärm zu hören ist, schneidet sie um 2 Punkte schlechter ab. (X= T+E= 100-2=98). Eine hochintelligente Person ist ebenfalls vom Baulärm gestört und schneidet deshalb ebenfalls um 2 Punkte schlechter ab (z.B. X=T+E =110-2=108).
Dieses Axiom geht also davon aus, dass die Ausprägung des gemessenen Konstrukts die Stärke des Einflusses eines Störfaktors nicht verändert.

4. Axiom
Der Fehlerwert E in einer Erhebung ist ebenfalls unabhängig vom wahren Wert anderer nicht gemessener Eigenschaften T'.
Bei einer Intelligenzmessung ist der entstehende Fehlerwert unabhängig von anderen Eigenschaften der Person: Zwei Personen, die allgemein ähnliche Leistungsbeeinträchtigungen durch Zugluft im Testraum erleben, unterscheiden sich nicht in ihrem Fehlerwert bzgl. des Intelligenztests, auch wenn die eine Person z.B. sehr stark neurotizistisch veranlagt und die andere Person aber z.B. sehr extrovertiert ist. (Dies schließt natürlich NICHT aus, dass sich verschiedene Eigenschaften unterschiedlich auf den wahren Wert auswirken können, es handelt sich hier nur um den Messfehler!)

5. Axiom
Wird eine Messung mehrfach ausgeführt, sind die entstehenden Messfehler bei jeder Durchführung (E1, E2, E3...) völlig unabhängig.
Lisa misst die Körpergröße von Paul mehrfach hintereinander mit einem Zollstock. Beim ersten Mal liest sie etwas ungenau ab und notiert sich statt dem wahren Wert 1,87 den Messwert 1,85. Dass dieses Mal einen Fehlerwert von -0,02 entstand, hat keinerlei Einfluss darauf, wie ungenau bzw. genau Lisa bei der nächsten Messung ablesen wird.)

Vereinfacht gesagt sollen die o.g. Axiome ausdrücken, dass alle Messfehler rein zufällig sind.

Die klassische Testtheorie und ihre Annahmen sind – wie viele Theorien in der Psychologie - hinterfragbar. Sie bildet aber eine gute Grundlage, um sich mit den Gütekriterien wissenschaftlichen Arbeitens auseinanderzusetzen.