Experimenteller Regress

Aus eLearning - Methoden der Psychologie - TU Dresden
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Der Begriff „Experimenteller Regress“ (original „the experimenter’s regress“) wurde vorwiegend von Harry Collins (*1943) geprägt. Er beschreibt ein Problem, das häufig in der Erforschung neuer Phänomene auftaucht.


An der Basis des Problems liegt, dass Fehler beim Durchführen von Experimenten zur Verzerrung der Ergebnisse führen können. Gleichzeitig kann man solche Fehler beinahe nie mit kompletter Sicherheit ausschließen bzw. häufig nicht einmal ihr Ausmaß einschätzen.
Wenn mit großer Sicherheit ein bestimmter Ausgang erwartet wird, und dieser tritt nicht ein, lassen sich begründet Fehler in der Durchführung vermuten.
(Im Chemieunterricht in der Schule kommt es häufig zu missglückten Experimenten. Es ist von vornherein klar, welches Ergebnis auftreten „sollte“. Das „richtige“ Ergebnis ist keine Überraschung und ein anderes Ergebnis stellt nicht die Hypothese infrage, sondern kann mit großer Sicherheit auf Durchführungsfehler zurückgeführt werden.)
Wenn mit großer Sicherheit die Durchführung fehlerfrei war, kann ein unerwartetes Ergebnis auf Hypothesenfehler oder unangemessene Umstände attribuiert werden.
(Ein Laser, der Löcher in Papier und Plastik brennt, mag bei bestimmten Gesteinen eine weniger fatale Wirkung haben. Jedoch ist es unwahrscheinlich, dass dies an einem plötzlichen Fehler in der Maschinerie liegt.)


Um die Durchführung angemessen bewerten zu können, muss der Ausgang des Experiments bei korrekter Durchführung gegeben sein. Um den Ausgang angemessen zu bewerten, muss die Durchführung unumstritten korrekt gewesen sein. Bei Experimenten auf neuem Gebiet ist jedoch naturgemäß weder das eine noch das andere sicher der Fall. Dies ist das Problem, das Collins experimenter’s regress nennt.
Hinzu kommt, dass viele Phänomene so komplex sind, dass es nicht nur an einem bei korrekter Durchführung definitiven Ergebnis mangelt, sondern teilweise schon an einer einfachen Ergebniserwartung. Es ist leicht vorstellbar, wie viel schwieriger das Problem des experimentellen Regress zu lösen ist, wenn man absolut nicht weiß, welches Ergebnis man erwarten könnte.


Collins als Anhänger des Konstruktivismus sieht die Lösung nicht in objektiven Kriterien, sondern in sozialer Übereinkunft der Wissenschaftler eines Forschungsfelds. Man müsse sich einigen, ob vorliegende Resultate der Wahrheit entsprechen oder nicht (siehe Intersubjektivität).

[Buchempfehlung zum Thema: Collins, H., & Pinch, T. (1999). Der Golem der Forschung.]



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