Forschungs-Anarchie nach Feyerabend: Unterschied zwischen den Versionen
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<br/>Feyerabend war sich bewusst, dass der Forschungsprozess häufig chaotisch und irrational verlief - dass etwa Unfälle und Versehen zu großen, neuen Erkenntnissen führten. Deshalb war er der Meinung, man solle in der Forschung vor allem auf Intuition und Kreativität bauen. Eingrenzungen bezüglich der Methoden (wie sie durch den | <br/>Feyerabend war sich bewusst, dass der Forschungsprozess häufig chaotisch und irrational verlief - dass etwa Unfälle und Versehen zu großen, neuen Erkenntnissen führten. Deshalb war er der Meinung, man solle in der Forschung vor allem auf Intuition und Kreativität bauen. Eingrenzungen bezüglich der Methoden (wie sie durch den '''wissenschaftlichen Dogmatismus''' besonders seines Lehrers Karl Popper und dessen [[Kritischer Rationalismus (Popper)|kritischem Rationalismus]] streng vorgeschrieben waren) würden den Prozess behindern. Stattdessen solle man die Forschungsmethoden nach Belieben verändern dürfen. | ||
<br/>Allgemeine Bewertungsmaßstäbe, die man z.B. auf Methoden anwenden könnte, wären nicht zulässig. Da somit jede Illusion der Objektivität verbannt worden war, konnte es auch keine Bewertung von Theorien als allgemein wahr oder falsch geben. Es konnte höchstens zur Übereinkunft kommen, diese zu akzeptieren. | <br/>Allgemeine Bewertungsmaßstäbe, die man z.B. auf Methoden anwenden könnte, wären nicht zulässig. Da somit jede Illusion der Objektivität verbannt worden war, konnte es auch keine Bewertung von Theorien als allgemein wahr oder falsch geben. Es konnte höchstens zur Übereinkunft kommen, diese zu akzeptieren. | ||
Zusätzlich kritisierte er die Beschränkung des Forschungsprozesses auf die wissenschaftliche Community: | Zusätzlich kritisierte er die Beschränkung des Forschungsprozesses auf die wissenschaftliche Community: Alle Bürger könnten und sollten, sozusagen in einem demokratischen Forschungsprozess, direkt zu Erkenntnissen beitragen und von ihnen profitieren. | ||
Feyerabend lenkte seine Theorien in eine andere Richtung als seine deskriptiven Mitstreiter [[Denkkollektive nach Fleck|Fleck]] und [[Paradigmen & Revolutionen nach Kuhn|Kuhn]]. Er ergänzte das reine Beschreiben von Dogmen (Denkkollektive bzw. Paradigmen) um ein kritisches Element, forderte eine Abkehr von ihnen. Er stützt sich dabei auf die Beschreibung eines anderen Phänomens (die erfolgreichen chaotischen Forschungsprozesse) und bezieht in großem Maße die soziale Komponente der Wissenschaft mit ein – weshalb Feyerabend letzlich als Theoretiker der [[Deskriptive Sichtweise|deskriptiven Sichtweise]] gezählt werden kann. | Feyerabend lenkte seine Theorien in eine andere Richtung als seine deskriptiven Mitstreiter [[Denkkollektive nach Fleck|Fleck]] und [[Paradigmen & Revolutionen nach Kuhn|Kuhn]]. Er ergänzte das reine Beschreiben von Dogmen (Denkkollektive bzw. Paradigmen) um ein kritisches Element, forderte eine Abkehr von ihnen. Er stützt sich dabei auf die Beschreibung eines anderen Phänomens (die erfolgreichen chaotischen Forschungsprozesse) und bezieht in großem Maße die soziale Komponente der Wissenschaft mit ein – weshalb Feyerabend letzlich als Theoretiker der [[Deskriptive Sichtweise|deskriptiven Sichtweise]] gezählt werden kann. |
Aktuelle Version vom 15. Oktober 2016, 21:28 Uhr
Kaum einer hat sich von der normativen Sichtweise auf Wissenschaft wohl so radikal abgewandt wie Paul Feyerabend (1924-1994). Sein Ansatz, der wissenschaftstheoretische Anarchismus, verzichtete auf festgesetzte Maßstäbe oder Methoden – er sah desbezüglich je nach Situation eine willkürliche Anpassung oder Veränderung vor. Der Slogan „Anything Goes“, mit dem er auch sein Buch vermarktete, fasst seine Ansichten schon grob zusammen.
Feyerabend war sich bewusst, dass der Forschungsprozess häufig chaotisch und irrational verlief - dass etwa Unfälle und Versehen zu großen, neuen Erkenntnissen führten. Deshalb war er der Meinung, man solle in der Forschung vor allem auf Intuition und Kreativität bauen. Eingrenzungen bezüglich der Methoden (wie sie durch den wissenschaftlichen Dogmatismus besonders seines Lehrers Karl Popper und dessen kritischem Rationalismus streng vorgeschrieben waren) würden den Prozess behindern. Stattdessen solle man die Forschungsmethoden nach Belieben verändern dürfen.
Allgemeine Bewertungsmaßstäbe, die man z.B. auf Methoden anwenden könnte, wären nicht zulässig. Da somit jede Illusion der Objektivität verbannt worden war, konnte es auch keine Bewertung von Theorien als allgemein wahr oder falsch geben. Es konnte höchstens zur Übereinkunft kommen, diese zu akzeptieren.
Zusätzlich kritisierte er die Beschränkung des Forschungsprozesses auf die wissenschaftliche Community: Alle Bürger könnten und sollten, sozusagen in einem demokratischen Forschungsprozess, direkt zu Erkenntnissen beitragen und von ihnen profitieren.
Feyerabend lenkte seine Theorien in eine andere Richtung als seine deskriptiven Mitstreiter Fleck und Kuhn. Er ergänzte das reine Beschreiben von Dogmen (Denkkollektive bzw. Paradigmen) um ein kritisches Element, forderte eine Abkehr von ihnen. Er stützt sich dabei auf die Beschreibung eines anderen Phänomens (die erfolgreichen chaotischen Forschungsprozesse) und bezieht in großem Maße die soziale Komponente der Wissenschaft mit ein – weshalb Feyerabend letzlich als Theoretiker der deskriptiven Sichtweise gezählt werden kann.