Small-N-Experimente
Gegenstand von Small-N- oder Einzelfalluntersuchungen sind einzelne Untersuchungseinheiten (eine Person, Gruppe oder Organisation). Es werden Merkmalsveränderungen über die Zeit erfasst und analysiert.
Eine Übersicht der verschiedenen Small-N-Designs und eine Gegenüberstellung dieser und (quasi-)experimenteller Design finden sich hier.
Lange Zeit war diese Form der Forschung als völlig invalide verpönt, da man davon ausging, dass gesicherte Erkenntnisse nur auf einer großen und randomisierten Anzahl von Fällen fundieren können. Mittlerweile hat man jedoch den großen Vorteil der Einzelfallforschung erkannt: dass individuelle Ergebnisse nicht in einer gemittelten Masse von vielen Ergebnissen untergehen (vgl. Mittelwertsfalle, Korrelationsfalle). Ein weiterer positiver Aspekt von Einzelfallplänen ist die Möglichkeit, individuelle Verläufe zu erfassen. Dies kann mit Gruppenuntersuchungen nicht geschehen. Weiterhin können selten auftretende Phänomene nur auf diese Art und Weise erforscht werden, da für ein randomisiertes Experiment eine zu geringe Anzahl von Fällen existiert.
Natürlich sind die Untersuchungen in ihrer internen Validität eingeschränkt, und zwar aufgrund von Übungseffekten sowie Zeiteinflüssen und Reifungseffekten. Ihre Interpretation ist also mit Schwierigkeiten verbunden. Durch das Fehlen von Kontrollmöglichkeiten durch andere Personen, wie es sie in Gruppenuntersuchungen gibt (Kontrollgruppen), müssen Störvariablen hier anderweitig kontrolliert werden. Dies geschieht im Regelfall durch eine zeitliche Variation der zu testenden Faktorstufen, es müssen also Zeitabschnitte abgegrenzt werden. Somit entstehen Phasen, in denen die abhängige Variable (AV) unter der Experimentalbedingung (Experimentalphase B, Einführung einer unabhängigen Variable (UV): z. B. ein Training oder eine Therapie) erhoben wird. Hinzu kommen Phasen, in denen die individuellen Ausgangwerte, d. h. die AV unter "normalen" und unmanipulierten Umständen, erfasst werden. Dies nennt man Erhebung einer Grundrate bzw. Baseline (Phase A). Die Baseline wirkt als Kontrollbedingung und ersetzt somit die Kontrollgruppe. Wichtig ist, dass diese Grundratenphase so lange erhoben wird, bis sie stabil ist. Vorher darf nicht mit einer Experimentalbedingung (B) begonnen werden. Im Gegensatz zu Gruppenversuchen erfolgt bei Einzelfalluntersuchungen die Kontrolle von Störvariablen intraindividuell, sie erfolgt durch die Untersuchungsphase ohne Intervention. Das Untersuchungsobjekt stellt so seine eigene Kontrolle dar und wird mit sich selbst in interventionsfreien Phasen verglichen. Dabei herrscht die Logik, dass die Störvariablen in den Phasen A und B dieselben sind und somit Veränderungen der AV in der Experimentalphase auf das Treatment zurückgeführt werden können. Die Experimentalbedingung (B) und die Baseline (A) werden in einer systematisch variierten Abfolge dargeboten. Der Plan wird also zu einem ausbalancierten Plan, in dem nur eine Person untersucht wird.
Nach diesem Prinzip (Baseline bzw. Grundratenphase und Experimental- bzw. Interventionsphasen) werden verschiedene Untersuchungsdesigns unterschieden. Grundsätzlich muss jedoch sehr darauf geachtet werden, nicht gegen ethische und moralische Normen zu verstoßen. Immer dann, wenn sich an eine Interventions- eine erneute Grundratenphase anschließt, muss man beim "Entfernen" der Intervention vorsichtig sein. Es ist wichtig, zu schauen, ob ein Interventionsentzug (vor allem der Entzug von Therapien und gesundheitliche Hilfestellungen, die zur Besserung einer Person in der Experimentalphase geführt haben) gerechtfertigt und zumutbar für die Versuchsperson ist. Es gibt zwei Möglichkeiten die Intervention zu entziehen: die Ausblendung und die Umkehrung. Ausblendung bedeutet, dass ein Treatment abgesetzt wird. Umkehrung hingegen bedeutet, dass das erste Treatment durch ein Treatment mit entgegengesetzter Wirkung ersetzt wird (z.B. erfolgt zunächst auf ein bestimmtes Verhalten eine Belohnung, in der Umkehrphase jedoch auf das gleiche Verhalten Bestrafung).
Einzelfalluntersuchungen sind Quasiexperimente und können damit nicht nur für explorative und diagnostische Zwecke, sondern auch zur Kausalhypothesenprüfung eingesetzt werden. Um Hypothesen intern valide prüfen zu können, müssen jedoch wie auch bei Gruppenuntersuchungen Zufallsstichproben gezogen werden. Diese beziehen sich dann jedoch nicht auf Personen, sondern auf Situationen, Zeitpunkte oder verschiedene Aufgabenstellungen. Beispielsweise muss ein soziales Kompetenztraining in (möglichst zufällig ausgewählten) verschiedenen Situationen durchgeführt werden, damit man seinen Erfolg nicht nur in einer mehrfach geübten Situation nachweisen, sondern auch auf weitere Situationen im Alltag generalisieren kann. Und um zu testen, ob Frau X auf berufliche Misserfolge mit Migräne reagiert, müssen zufällig erfolglose und erfolgreiche Phasen untersucht werden.
Die externe Validität von Einzelfalluntersuchungen erscheint augenscheinlich sehr gering, da es sich immer nur um ein einziges Untersuchungsobjekt handelt. Um die Ergebnisse generalisieren zu können, gibt es jedoch zwei Strategien zur Gewährleistung der externen Validität:
- Wahl eines repräsentativen Normalfalls für die Einzelfallstudie
- Replikation
Wenn ein für die Population repräsentativer Einzelfall untersucht wird und die Population hinsichtlich des untersuchten Merkmals homogen ist, können die Ergebnisse von diesem Einzelfall auf die Population generalisiert werden. Wenn wiederholt durchgeführte Einzelfallstudien alle dieselben Ergebnisse liefern, können diese als gesichert gelten und auf ebenfalls die Population generalisiert werden. Bei ABAB Designs sind die Phasen A2 und B2 gewissermaßen Replikationen der Phasen A1 und B1. Bei Multiple Grundraten Designs erfolgen Replikationen in den einzelnen Phasen über die verschiedenen Situationen, Verhaltensweisen, Materialien oder Personen.
Die Auswertung von Einzelfalldesigns erfolgt visuell (Split-Middle-Technik) oder statistisch.