Tiefenpsychologie

Aus eLearning - Methoden der Psychologie - TU Dresden
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In der Tiefenpsychologie spielt das Konstrukt des Unbewussten eine herausragende Rolle. Ihm wird zugeschrieben, das Denken, Fühlen und Handeln einer Person maßgeblich zu beeinflussen. Mit dem „Unbewussten“ sind psychische Prozesse gemeint, die dem Bewusstsein nicht zugänglich sind. Der wohl bekannteste Tiefenpsychologe und Begründer der Psychoanalyse ist Sigmund Freud (1856-1939). Seine Modelle der menschlichen Psyche werden bis heute viel diskutiert. Andere Vertreter dieser Strömung sind Carl Gustav Jung (1875-1961), ein Schüler Freuds, und Alfred Adler (1870-1937).

Laut der Psychoanalyse muss sich das Bewusstsein erst entwickeln, während das Unbewusste angeboren ist. Letzteres spiegelt die „echte“ Persönlichkeit wieder, im Gegensatz zum verzerrten, bewusst wahrgenommenen Bild der eigenen Person. Unbewusste und bewusste Kräfte können gegeneinander arbeiten und so für innere Konflikte und Spannungen sorgen. Für die Psychotherapie nach diesem Ansatz ist es daher notwendig, den Patienten ihr Unbewusstes bewusst zu machen, um so der psychischen Störung zugrundeliegende Konflikte entdecken und behandeln zu können.
Laut Freud ist der Mensch ein funktionales System, in dem drei Instanzen sich –im Idealfall- in einem Kräftegleichgewicht befinden.
Diese Instanzen sind das Es, das Ich und das Über-Ich.
Das Es ist die Instanz der angeborenen Triebe und Wünsche, das Über-Ich stellt eine von Gesellschaft und Erziehung geprägte Moralinstanz dar und das Ich versucht, zwischen diesen gegensätzlichen Prinzipien der Lust und der Moral zu vermitteln und bestimmt letztlich das gezeigte Verhalten
(Man beachte die Ähnlichkeit dieses Modells zum dreiteiligen Seelenmodell Platons). Ist dieses Kräftegleichgewicht gestört, muss es durch eine Therapie wiederhergestellt werden.

Ein besonderes Alleinstellungsmerkmal der Tiefenpsychologie ist, dass Forschung und Praxis (d.h. Therapie) als eine Einheit angesehen werden. Im Gegensatz zu experimentellen Ansätzen vertritt die Tiefenpsychologie den Standpunkt, zur Erforschung psychologischer Phänomene benötige man reale Fälle. Neben dieser Ablehnung des Experiments wurde auch die Introspektion (siehe Wilhelm Wundt) abgelehnt, da diese nur auf bewusste Prozesse fokussieren und so keinen Zugang zu den eigentlich wichtigen unbewussten Prozessen liefere. Statt direkter bewusster Selbstbeobachtung wird in der Tiefenpsychologie auf eine indirekte Beobachtung des Unbewussten gesetzt, indem freie Assoziationen der Patienten genutzt werden.
Die Tiefenpsychologie erhält heute noch viel Aufmerksamkeit in der psychologischen Praxis (tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie) und ist außerhalb der akademischen Psychologie oft Synonym für Psychologie. Viele Konzepte Freuds haben es in die Alltagspsychologie geschafft, wie z.B. der freudsche Versprecher. Innerhalb der wissenschaftlichen Psychologie allerdings, ist besonders Freuds Theorie immer wieder starker Kritik ausgesetzt. (z.B. der Ödipuskonflikt nach Freud). Von manchen Seiten wurden die Theorien sogar als pseudowissenschaftlich, da unwiderlegbar bzw. unüberprüfbar kritisiert.
Freuds Lehre der drei Instanzen ist beispielsweise schwer zu widerlegen, da psychologische Konstrukte wie diese mit keinem Messinstrument zu erfassen sind. Allerdings versuchen aktuelle Ansätze mit neuen, teils neurowissenschaftlichen Methoden, einen wissenschaftlichen Zugang zu den von Freud postulierten Konstrukten zu liefern.

Im Bezug auf die Praxis ist die Psychoanalyse und die Tiefenpsychologie ein Beispiel dafür, dass Wissenschaft und Praxis nicht unbedingt Hand in Hand gehen müssen. Aus akademischer Sicht hat die Tiefenpsychologie eine Randstellung, während sie in der Praxis einen nicht vernachlässigbaren Beitrag zur Therapie psychischer Störungen leistet.