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Version vom 27. Januar 2015, 17:08 Uhr
Behaviorismus
Der Behaviorismus erklärte und erforschte das Verhalten von Mensch und Tier mit naturwissenschaftlichen Methoden auf Basis der Beobachtung von außen, d.h. ohne Introspektion oder dem Hinzuziehen psychologischer, nicht beobachtbarer Konstrukte. Im Forschungsfokus lag vor allem das Erlernen von Verhalten in Form der klassischen und operanten Konditionierung.
Der US-amerikanische Psychologe John Broadus Watson (1878-1958) gilt als Begründer des Behaviorismus. Er schrieb in seinem Buch „Psychology from the standpoint of a behaviorist“ (1919) folgenden Text: „Der Leser wird keine Diskussion des Bewusstseins finden und auch nicht die Begriffe Empfindung, Wahrnehmung, Aufmerksamkeit, Wille usw. Diese Worte haben einen guten Klang, aber ich habe festgestellt, dass ich gut auf sie verzichten kann. […] Offen gestanden weiß ich nicht, was sie bedeuten. Ich glaube auch nicht, dass irgendjemand sie in stets übereinstimmender Weise zu gebrauchen vermag.“
Allgemein kritisieren alle Vertreter des Behaviorismus jene psychologischen Theorien, die sich zur Erklärung von menschlichem Verhalten und Erleben auf nicht beobachtbare Prozesse, also psychologische Konstrukte stützen.
Im obigen Zitat sind Begriffe wie „Empfindung“ oder „Wille“ beispielsweise solche Konstrukte.
Man konzentrierte sich in der Forschung ausschließlich auf beobachtbare Prozesse und postulierte, dass sich alle psychologischen Phänomene über Reiz-Reaktions-Ketten erklären ließen, d.h. ein Reiz führt gesetzmäßig zu einer bestimmten Reaktion.
Aus Sicht eines Behavioristen war es nicht möglich, mentale Prozesse empirisch zu untersuchen. Man bediente sich ausschließlich einer naturwissenschaftlichen, objektiven und experimentellen Methodik.
Die Introspektion, wie sie z.B. in der Denkpsychologie betrieben wurde, wurde vehement abgelehnt, da mentale Zustände ja nicht als legitime Untersuchungsgegenstände galten.
Stattdessen wurde im Behaviorismus die Trennung von Versuchsleiter und Versuchsperson eingeführt, um zu mehr Objektivität zu gelangen.
Diese Trennung und die Sicht des zu untersuchenden Organismus (v.a. des Menschen) als Blackbox ermöglichte, dass Behavioristen oftmals mit Tieren forschten. Die Gundannahme dahinter war, dass Mensch und Tier in ihrem Verhalten ähnlich, und somit vergleichbar sind. Durch die Ignoranz der Prozesse in der „Blackbox“, dem subjektiven Erleben, bei psychologischen Experimenten war diese Vergleichbarkeit auch in der Forschung weitgehend gegeben.
Im Behaviorismus können zwei Strömungen unterschieden werden, was den Umgang mit mentalen Prozessen und Konstrukten anging: der radikale und der methodische Behaviorismus.
Der radikale Behaviorismus bezieht eine ontologische Position (siehe Allgemeine Grundpositionen) und verneint die Existenz von mentalen Zuständen an sich (siehe eliminativer Materialismus). Die führt zu den methodischen Konsequenzen, da es nicht mentales zu untersuchen gibt.
Anhänger des methodischen Behaviorismus lehnten mentale Prozesse aus epistemischen Gründen ab. Sie wehrten sich keinesfalls gegen die Annahme, dass es unterliegende psychologische Prozesse geben könnte, die zu der Reiz-Reaktions-Kette führen. Allerdings lehnten sie die Untersuchung des subjektiven Erlebens und mentaler Prozesse als unwissenschaftlich ab:
Wissenschaftliche Untersuchung sollte auf objektiv beobachtbaren Ereignissen basieren (Annahme 1) undVerhalten wäre objektiv beobachtbar, mentale Zustände aber nicht (Annahme 2).
Diese Position mag auch auf heutige, eher neurowissenschaftlich geprägte Leser eingängig wirken. Die Annahmen führen aber bei genauerer Untersuchung zu einem logischen Widerspruch:
Wenngleich es zunächst keinen Einwand gegen Annahme 1 gibt, nur objektiven Beobachtungen Glauben zu schenken, muss man hinterfragen, inwiefern der Beobachtungsprozess tatsächlich objektiv ist. Wenn ein Forscher festellen möchte, ob eine Beobachtung objektiv ist, also auch von anderen Forschern gemacht werden kann, muss er diese Kollegen fragen. Er fragt also nach derWahrnehmung seiner Kollegen und damit nach deren mentalen Zustand. Damit wäre auch die objektive Beobachtung als unwissenschaftlich belegt und die Argumentation des epistemischen Behaviorismus bricht in sich zusammen.
Wichtige Vertreter des Behaviorismus sind Ivan P. Pawlow und John B.Watson (klassisches Konditionieren), B.F. Skinner (operantes Konditionieren), Edward Lee Thorndike und Clarke L. Hull
Die deutsche Psychologie wird amerikanisch (siehe auch 19. und 20. Jahrhundert)
Viele deutsche Psychologen flohen in den 30er Jahren aus dem nationalsozialistischen Deutschland in die USA, wo der Behaviorismus gerade seine Blütezeit erlebte. Die deutschen Forschungslinien konnten sich kaum gegen die starke Dominanz des Behaviorismus durchsetzen. Insbesondere die Denkpsychologie und Gestaltpsychologie, wie sie von Max Wertheimer, Wolfgang Köhler, Kurt Lewin betrieben wurde, waren so in Ihrer Weiterentwicklung sehr eingeschränkt. (Alle drei Psychologen wurden zu Zeiten des Nationalsozialismus aus Deutschland vertrieben. Der Denkpsychologe Otto Selz wurde 1943 deportiert und ermordet.)
Die Konsequenz dieser dunklen Vergangenheit: War Deutschland vor der Zeit des Nationalsozialismus das Zentrum psychologischer Forschung, in das viele Forscher reisten, so ist die psychologische Forschung heute vor allem amerikanisch geprägt.>
Verhaltenstherapie Auf dem behavioristischen Ansatz gründet die wissenschaftlich fundierte Verhaltenstherapie. Man geht davon aus, dass jegliches Verhalten erlernt ist und somit auch verändert werden kann. In der Therapie wird sich also nicht auf die Ursprünge einer psychischen Erkrankung konzentriert, sondern auf die momentane Situation und wie diese das Verhalten determiniert. Repräsentativ ist die Methode der Verhaltensanalyse, welche die folgenden Komponenten identifiziert:
S: Situationen, Reize
O: Organismus (Kognitionen und biologisch‐somatische Bedingungen)
R: Reaktionen, Verhalten
K: Kontingenzen, (regelhafte Zusammenhänge zwischen Situationen,
Verhalten und Konsequenzen)
C: Konsequenzen
Es steht also nicht das „Verstehen“ eines Problems oder einer Störung im Fokus, sondern die wissenschaftliche, objektive Analyse des Verhaltens und daraus die Ableitung entsprechender Interventionen.
Diese Interventionen konzentrieren sich darauf, bestimmte erlernte Reiz-Reaktionsverbindungen aufzubrechen und neue, angemessenere Assoziationen zu erlernen (z.B. Konfrontationsverfahren oder Operante Verfahren).