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==Verantwortungsvoller Umgang mit Wissen== | |||
Wissenschaftler haben in ihrer Arbeit '''soziale Verantwortung''' zu tragen. Nicht immer ist es ethisch einfach zu beurteilen, inwiefern die Verbreitung von neuer wissenschaftlicher Erkenntnis der Öffentlichkeit eher nutzt oder schadet und welche Verantwortung ein Wissenschaftler nun wirklich trägt. <br/> <br/> | |||
Ein verantwortungsvoller Umgang mit Wissen ist unabdingbar, denn Wissen kann leider auch missbraucht werden. <br/> | |||
Beispielsweise gilt es zu vermeiden, dass Wissen über die menschliche Psyche dazu dient, Menschen zu '''manipulieren'''. <br/> | |||
Auch eine '''Übergeneralisierung''' von Erkenntnissen verschiedener Studien ist kritisch zu sehen. | |||
<br/>''Oftmals werden Studien an einer ganz speziellen Stichprobe durchgeführt (an Universitäten sind das oft Studierende), die möglicherweise weniger repräsentativ für die durchschnittliche Gesellschaft sind, als man für seinen Versuch annimmt. Deshalb ist es wichtig, Studienergebnisse immer mit Vorsicht zu genießen und bemüht zu sein, dieselben Versuche an weiteren Stichproben durchzuführen, bevor man eine Generalisierbarkeit annimmt.'' <br/> | |||
Genauso kann eine '''falsche Anwendung''' des Wissens eine große Ressourcenverschwendung darstellen. Das kann unter anderem durch eine Übergeneralisierung passieren, oder aber durch eine (bewusste) falsche Auslegung der Informationen. <br/> <br/> | |||
''Ein Beispiel für Falschverwendung: Subliminale Trainings <br/>'' | |||
''Subliminale Trainings sind pseudowissenschaftliche Methoden, um Informationen (oder besser: Suggestionen) unter Umgehung des Bewusstseins direkt ins Unterbewusste fließen zu lassen. Ziel einer subliminalen Trainings-CD zur Stärkung des Selbstbewusstseins ist es beispielsweise, den Menschen unterbewusst durch nicht wahrnehmbare (aber vorhandene) Hinweise zu verstehen zu geben, dass sie stark, wertvoll, hübsch, mutig, … usw. sind (unhörbare Audiospur: "Ich bin stark"…).'' <br/> | |||
''Die Trainings basieren auf den Priming-Experimenten von Anthony Marcel (1983). In Reaktionszeitexperimenten belegte er, dass das unbewusste Priming von maskierten Hinweisreizen anschließend die Reaktionszeit der Probanden auf den (unbewusst bereits fixierten) Zielreiz verkürzte – es also eine unbewusste Reizverarbeitung geben muss. Er belegte allerdings NICHT, dass dieses Priming a) auch für komplexere Hinweisreize funktioniert, es b) Langzeitwirkung haben kann und c) Einstellungen, Persönlichkeitsmerkmale etc. beeinflussen kann! Die Effekte der Priming-Experimente sind für die Entwicklung der subliminalen Trainings leider keine berechtigte Basis und unterliegende Mechanismen wurden hier letztlich einfach angenommen - ohne wissenschaftliche Evidenz. Die Wirkung der Trainings konnte zudem nicht nachgewiesen werden, beziehungsweise fand man nur Placeboeffekte.'' | |||
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Andererseits ist es selbstverständlich genauso wichtig, die '''Etablierung hilfreicher neuer Erkenntnisse''' in der öffentlichen Praxis zu fördern. <br/> <br/> | |||
''Das Heranziehen von Zeugenaussagen zur Beurteilung von Gerichtsfällen ist gang und gäbe. Mehrere Studien der amerikanischen Psychologin Elizabeth Loftus haben ergeben, dass das allgemeine Erinnerungsvermögen des Menschen stark überschätzt wird; somit auch die Genauigkeit und Korrektheit von Zeugenaussagen. Betroffene Personen überschätzen unter anderem ihr Erinnerungsvermögen und die Wiedererkennung von Gesichtern (z.B. Identifizierung des Täters am Tatort). Es sollte hier im Interesse der wissenschaftlichen Community liegen, dieses Wissen vermehrt zu verbreiten, um fälschliche Verurteilungen oder Freisprechungen aufgrund von falschen Zeugenaussagen zu vermeiden. Mehr Information zum Thema "falsche Erinnerungen" liefert dieser [[https://www.ted.com/talks/elizabeth_loftus_the_fiction_of_memory?language=de|TED Talk]] von Elizabeth Loftus. '' <br/> | |||
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Psychologische Forschung zielt letzten Endes auch darauf ab, gesellschaftlichen Fortschritt und ein gutes soziales Miteinander zu ermöglichen. Ein Wissenschaftler sollte seine (sozial-) psychologischen Kenntnisse einsetzen, um zwischenmenschliche Situationen besser beurteilen zu können und einen besseren sozialen Umgang zu fördern. Er fungiert also als eine Art '''sozialer Ratgeber'''. <br/> | |||
Zu (ethischen) Problemen kommt es aber, wenn Psychologen sich als soziale "Aktivisten" engagieren. Wenn Wissenschaftler ihre Erkenntnisse nutzen, um unmoralische (politische, rassistische etc.) Ideen zu begründen, kann psychologische Kenntnis zur Gefahr für gesellschaftliche Gruppen werden. <br/> <br/> | |||
''Es gibt Befunde in der Rassenforschung, die auf Intelligenzunterschiede zwischen Schwarzen, Weißen und Asiaten hindeuten. Einige dieser Studien stehen aufgrund von methodisch unsauberen Herangehensweisen in der Kritik. Dennoch gibt es leider Forscher, die dieses Wissen nutzen, um rassistisches Gedankengut zu begründen. In dem stark umstrittenen Buch [[https://de.wikipedia.org/wiki/The_Bell_Curve |The Bell Curve]] des Politikwissenschaftlers Charles Murray und des Psychologie-Professors Richard Herrnstein werden einige solcher kritischen Studien aufgeführt. Die Autoren fordern auf Basis dieser politische Maßnahmen, die bestimmte soziale Schichten und ethnische Gruppen diskriminiert.''<br/> <br/> | |||
Außerdem sind Wissenschaftler '''Experten''' auf ihrem Forschungsgebiet und sollten als solche auch für die Allgemeinheit ansprechbar sein. Als Experten haben sie die Fähigkeit, psychologische Sachverhalte zu begutachten, d.h. sie können analysieren, Probleme umfassend beschreiben und fundierte Lösungsansätze vorschlagen. <br/> | |||
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==Konfliktfelder== | |||
In Bezug auf die sozialen Pflichten eines psychologischen Forschers gibt es also viele Konfliktfelder. Die folgenden Fragen sollen hierfür noch einmal als Beispiele dienen:<br/> <br/> | |||
'''Ausschluss von (kritischen) Forschungsthemen''' <br/> Liegt es in der Verantwortung des Wissenschaftlers, kritische Forschungsthemen bewusst <u>nicht</u> zu untersuchen, um zu vermeiden, dass die gewonnene Information von der Gesellschaft missbraucht wird? <br/> | |||
''Welche Auswirkungen haben Arbeiten zur Rassen-/Geschlechts-… Forschung? Sind sie hilfreich oder fördern sie die Bildung von Vorurteilen? Welches Menschenbild kommuniziere ich als Wissenschaftler implizit, wenn ich mich mit Geschlechterunterschieden in Leistungstests beschäftige? Ist weniger Wissen manchmal mehr?'' <br/> | |||
<br/>'''Nomothetik vs. Idiographie''' <br/> Welches wissenschaftliche Vorgehen ist aus ethischer Sicht das förderlichste für unsere Gesellschaft? Sollte die Wissenschaft des Allgemeinen oder die des Einzelnen im Fokus stehen? Ist es die Aufgabe des Forschers, diese Frage zu beantworten und danach zu handeln? <br/> | |||
<br/>'''Grundlagen vs. Anwendung''' <br/> Sollte die Anwendungsforschung Priorität vor der Grundlagenforschung haben? Oder bedingt eine die andere? Sollte es Aufgabe der Forscher-Community sein, sich gezielt mit aktuellen und akuten Themen zu befassen? <br/> | |||
<br/>'''Notwendigkeit von Forschung''' <br/> ''Muss'' man überhaupt forschen? Ist ein Wissenschaftler zur Erkenntnisgewinnung verpflichtet, oder kann er bewusst Forschungsthemen unbeachtet lassen?<br/> | |||
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Fest steht in jedem Falle, dass Wissenschaft nicht isoliert von der Umwelt ablaufen darf. Gesellschaftliche Konsequenzen müssen im Forschungsprozess verantwortungsvoll reflektiert und berücksichtigt werden. | |||
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Aktuelle Version vom 1. Juli 2015, 15:03 Uhr
Verantwortungsvoller Umgang mit Wissen
Wissenschaftler haben in ihrer Arbeit soziale Verantwortung zu tragen. Nicht immer ist es ethisch einfach zu beurteilen, inwiefern die Verbreitung von neuer wissenschaftlicher Erkenntnis der Öffentlichkeit eher nutzt oder schadet und welche Verantwortung ein Wissenschaftler nun wirklich trägt.
Ein verantwortungsvoller Umgang mit Wissen ist unabdingbar, denn Wissen kann leider auch missbraucht werden.
Beispielsweise gilt es zu vermeiden, dass Wissen über die menschliche Psyche dazu dient, Menschen zu manipulieren.
Auch eine Übergeneralisierung von Erkenntnissen verschiedener Studien ist kritisch zu sehen.
Oftmals werden Studien an einer ganz speziellen Stichprobe durchgeführt (an Universitäten sind das oft Studierende), die möglicherweise weniger repräsentativ für die durchschnittliche Gesellschaft sind, als man für seinen Versuch annimmt. Deshalb ist es wichtig, Studienergebnisse immer mit Vorsicht zu genießen und bemüht zu sein, dieselben Versuche an weiteren Stichproben durchzuführen, bevor man eine Generalisierbarkeit annimmt.
Genauso kann eine falsche Anwendung des Wissens eine große Ressourcenverschwendung darstellen. Das kann unter anderem durch eine Übergeneralisierung passieren, oder aber durch eine (bewusste) falsche Auslegung der Informationen.
Ein Beispiel für Falschverwendung: Subliminale Trainings
Subliminale Trainings sind pseudowissenschaftliche Methoden, um Informationen (oder besser: Suggestionen) unter Umgehung des Bewusstseins direkt ins Unterbewusste fließen zu lassen. Ziel einer subliminalen Trainings-CD zur Stärkung des Selbstbewusstseins ist es beispielsweise, den Menschen unterbewusst durch nicht wahrnehmbare (aber vorhandene) Hinweise zu verstehen zu geben, dass sie stark, wertvoll, hübsch, mutig, … usw. sind (unhörbare Audiospur: "Ich bin stark"…).
Die Trainings basieren auf den Priming-Experimenten von Anthony Marcel (1983). In Reaktionszeitexperimenten belegte er, dass das unbewusste Priming von maskierten Hinweisreizen anschließend die Reaktionszeit der Probanden auf den (unbewusst bereits fixierten) Zielreiz verkürzte – es also eine unbewusste Reizverarbeitung geben muss. Er belegte allerdings NICHT, dass dieses Priming a) auch für komplexere Hinweisreize funktioniert, es b) Langzeitwirkung haben kann und c) Einstellungen, Persönlichkeitsmerkmale etc. beeinflussen kann! Die Effekte der Priming-Experimente sind für die Entwicklung der subliminalen Trainings leider keine berechtigte Basis und unterliegende Mechanismen wurden hier letztlich einfach angenommen - ohne wissenschaftliche Evidenz. Die Wirkung der Trainings konnte zudem nicht nachgewiesen werden, beziehungsweise fand man nur Placeboeffekte.
Andererseits ist es selbstverständlich genauso wichtig, die Etablierung hilfreicher neuer Erkenntnisse in der öffentlichen Praxis zu fördern.
Das Heranziehen von Zeugenaussagen zur Beurteilung von Gerichtsfällen ist gang und gäbe. Mehrere Studien der amerikanischen Psychologin Elizabeth Loftus haben ergeben, dass das allgemeine Erinnerungsvermögen des Menschen stark überschätzt wird; somit auch die Genauigkeit und Korrektheit von Zeugenaussagen. Betroffene Personen überschätzen unter anderem ihr Erinnerungsvermögen und die Wiedererkennung von Gesichtern (z.B. Identifizierung des Täters am Tatort). Es sollte hier im Interesse der wissenschaftlichen Community liegen, dieses Wissen vermehrt zu verbreiten, um fälschliche Verurteilungen oder Freisprechungen aufgrund von falschen Zeugenaussagen zu vermeiden. Mehr Information zum Thema "falsche Erinnerungen" liefert dieser [Talk] von Elizabeth Loftus.
Psychologische Forschung zielt letzten Endes auch darauf ab, gesellschaftlichen Fortschritt und ein gutes soziales Miteinander zu ermöglichen. Ein Wissenschaftler sollte seine (sozial-) psychologischen Kenntnisse einsetzen, um zwischenmenschliche Situationen besser beurteilen zu können und einen besseren sozialen Umgang zu fördern. Er fungiert also als eine Art sozialer Ratgeber.
Zu (ethischen) Problemen kommt es aber, wenn Psychologen sich als soziale "Aktivisten" engagieren. Wenn Wissenschaftler ihre Erkenntnisse nutzen, um unmoralische (politische, rassistische etc.) Ideen zu begründen, kann psychologische Kenntnis zur Gefahr für gesellschaftliche Gruppen werden.
Es gibt Befunde in der Rassenforschung, die auf Intelligenzunterschiede zwischen Schwarzen, Weißen und Asiaten hindeuten. Einige dieser Studien stehen aufgrund von methodisch unsauberen Herangehensweisen in der Kritik. Dennoch gibt es leider Forscher, die dieses Wissen nutzen, um rassistisches Gedankengut zu begründen. In dem stark umstrittenen Buch [|The Bell Curve] des Politikwissenschaftlers Charles Murray und des Psychologie-Professors Richard Herrnstein werden einige solcher kritischen Studien aufgeführt. Die Autoren fordern auf Basis dieser politische Maßnahmen, die bestimmte soziale Schichten und ethnische Gruppen diskriminiert.
Außerdem sind Wissenschaftler Experten auf ihrem Forschungsgebiet und sollten als solche auch für die Allgemeinheit ansprechbar sein. Als Experten haben sie die Fähigkeit, psychologische Sachverhalte zu begutachten, d.h. sie können analysieren, Probleme umfassend beschreiben und fundierte Lösungsansätze vorschlagen.
Konfliktfelder
In Bezug auf die sozialen Pflichten eines psychologischen Forschers gibt es also viele Konfliktfelder. Die folgenden Fragen sollen hierfür noch einmal als Beispiele dienen:
Ausschluss von (kritischen) Forschungsthemen
Liegt es in der Verantwortung des Wissenschaftlers, kritische Forschungsthemen bewusst nicht zu untersuchen, um zu vermeiden, dass die gewonnene Information von der Gesellschaft missbraucht wird?
Welche Auswirkungen haben Arbeiten zur Rassen-/Geschlechts-… Forschung? Sind sie hilfreich oder fördern sie die Bildung von Vorurteilen? Welches Menschenbild kommuniziere ich als Wissenschaftler implizit, wenn ich mich mit Geschlechterunterschieden in Leistungstests beschäftige? Ist weniger Wissen manchmal mehr?
Nomothetik vs. Idiographie
Welches wissenschaftliche Vorgehen ist aus ethischer Sicht das förderlichste für unsere Gesellschaft? Sollte die Wissenschaft des Allgemeinen oder die des Einzelnen im Fokus stehen? Ist es die Aufgabe des Forschers, diese Frage zu beantworten und danach zu handeln?
Grundlagen vs. Anwendung
Sollte die Anwendungsforschung Priorität vor der Grundlagenforschung haben? Oder bedingt eine die andere? Sollte es Aufgabe der Forscher-Community sein, sich gezielt mit aktuellen und akuten Themen zu befassen?
Notwendigkeit von Forschung
Muss man überhaupt forschen? Ist ein Wissenschaftler zur Erkenntnisgewinnung verpflichtet, oder kann er bewusst Forschungsthemen unbeachtet lassen?
Fest steht in jedem Falle, dass Wissenschaft nicht isoliert von der Umwelt ablaufen darf. Gesellschaftliche Konsequenzen müssen im Forschungsprozess verantwortungsvoll reflektiert und berücksichtigt werden.