Leib-Seele-Problem
Das Leib-Seele-Problem (auch Körper-Bewusstsein-Problem, Psycho-Physisches Problem oder Mind-Body-Problem) ist die Frage nach dem Verhältnis von Körper und Geist.
Wie lässt sich unser Erleben aus der Innenperspektive der ersten Person, als Wesen mit Bewusstsein, Gedanken und Gefühlen übereinbringen mit einer Beschreibung aus der Außenperspektive der dritten Person, als physische Wesen mit Körper und Gehirn? Fußen diese beiden Perspektiven auf denselben Prozessen oder unterscheiden sie sich fundamental?
Die vielen Positionen zu dieser Frage lassen sich in drei Klassen von Ansätzen aufteilen. Wenn sich alle psychischen Prozesse durch leiblich-physische Prozesse erklären lassen, entspricht dies einer materialistischen Sicht, die auch monistisch ist (also nur eine Substanz, hier die Materie, annimmt). All unsere Gedanken wären dann „nur“ Aktionspotentiale unserer Nervenzellen. Wenn man annimmt, dass mentale Vorgänge, v.a. das Bewusstsein, neben den physisch existierenden Prozessen eine eigene Qualität haben, die man nicht physikalisch messen kann, dann handelt es sich um einen Dualismus. Irgendwie müssten dann unsere Gedanken und das Vorgehen in unserem Gehirn miteinander zusammengebracht werden. Wenn man schließlich annimmt, dass unsere materielle Wirklichkeit, die wir wahrnehmen und messen, am Ende nur Produkt unseres Bewusstseins ist, dann wäre dies eine idealistische Sicht, die wieder monistisch wäre. In diesem Fall würde die von uns wahrgenommene Außenwelt nicht existieren sondern wäre „nur“ eine Projektion unseres Bewusstseins.
Keine der Positionen zum Leib-Seele-Problem ist eine (endgültige) Lösung des Problems, denn sie bringen alle ihrerseits wiederum Probleme hervor. Dennoch haben sie fundamentale Konsequenzen für den gesamten Forschungsprozess und das wissenschaftliche Selbstverständnis eines Forschers. Sie legen unter anderem fest, was eine zulässige Forschungsfrage sein darf. Die Frage, welche Position angemessen ist, ist bei aller praktischen Tragweite letztlich eine philosophische. Während im Alltag unseres Kulturkreises eine dualistische Position intuitiv erscheinen mag und weit verbreitet ist, fußt der größte Teil der (naturwissenschaftlich orientierten) psychologischen Forschung auf materialistischen Annahmen.
Die drei Klassen von Positionen entstehen im Prinzip aus zwei Grundpositionen, wobei eine sich dann anhand der postulierten Substanzen weiter ausdifferenzieren lässt: den Monismus (Leib und Seele sind ein und dasselbe) und den Dualismus (Leib und Seele sind zwei verschiedene Entitäten).
+ style="padding-bottom:2em"Monismus | Materialismus | Identitätstheorie |
Idealismus | Solipsismus | |
Dualismus | Interaktionismus |
Wenn der Dualismus für viele Menschen so intuitiv ist, warum sollte er dann nicht die beste Perspektive darstellen? Aus wissenschaftlicher Sicht stellt der Dualismus, insbesondere der für viele intuitive Interaktionismus, ein großes Problem dar. Eine spezielle Formalisierung dieses Problems geschah durch Peter Bieri 1981 – das dualistische Trilemma (oder auch Bieri Trilemma). Es beschreibt das dualistische Leib-Seele-Problem als die Unvereinbarkeit von drei Thesen. Jeder einzelnen dieser Thesen würden die meisten Menschen unseres Kulturkreises intuitiv zustimmen – allen drei zusammen sind dann aber unvereinbar:
1. Mentales Geschehen ist nicht‐physisches Geschehen
(-> z.B. „die Subjektive Wahrnehmung ist ein nicht neurobiologisch erklärbares Phänomen. Gedanken und Ideen sind etwas von der Materie losgelöstes“)
2. Mentales Geschehen wirkt kausal in den Bereich des physischen Geschehens
(-> z.B. „bewusste Willensentscheidungen führen zu physischen Handlungen. Der Gedanke, den Arm zu heben, führt schließlich zum Heben des Armes.“)
3. Der Bereich des physischen Geschehens ist kausal geschlossen
(-> Die Grundannahme der Naturwissenschaft)
Die Annahme von zwei dieser Thesen führt automatisch zum Ausschluss der dritten These:
Wenn die Thesen 1 und 2 stimmen, dann kann der physische Bereich nicht mehr kausal geschlossen sein. Denn es gibt ja einen von ihm unabhängigen mentalen Bereich, der auch kausal auf ihn wirkt.