Kriterien
Gütekriterien
Wissenschaft ist „der Versuch, menschliche Erfahrung zu systematisieren und methodisch vor Irrtum zu schützen“ (Walach, 2009). Im empirischen Forschungsprozess werden durch die Einhaltung von Gütekriterien verlässliche Daten erhoben. Diese verlässlichen Daten ermöglichen replizierbare, genaue und gültige Ergebnisse. Die entsprechenden Gütekriterien für Erhebungsmethoden sind die Objektivität (bzw. Intersubjektivität), die Reliabilität und die Validität. Im Sinne der Systematisierung und des Schutzes vor Fehlern weist wissenschaftliches Vorgehen folgende Merkmale auf:
- Systematische Beobachtung und öffentliches Wissen: Die zu beobachtenden Phänomene müssen öffentlich zugänglich und klar definiert sein, und sie müssen zuverlässig und nach allgemein anerkannten Methoden messbar sein. Die Methoden müssen klar und nachvollziehbar bei Schilderung der Phänomene beschrieben sein, so dass die Beobachtung wiederholt (repliziert) werden kann.
- Daten-basierte Schlüsse und das Stellen beantwortbarer Fragen: Alle wissenschaftlichen Aussagen müssen auf nachvollziehbaren Daten beruhen (siehe Empirismus). Der Schluss einer Aussage auf Basis bestimmter Daten kann jederzeit hinterfragt werden. Fragen müssen so formuliert sein, dass sie empirisch untersuchbar sind. Es können also durchaus auch „esoterische“ Themen angegangen werden, solange definiert ist, wie ein Phänomen gemessen wird und was genau dabei die Vorhersage ist (siehe widerlegbare Theorien).
- Immerwährende Vorläufigkeit von Schlüssen und das Aufstellen widerlegbarer Theorien: Wissen ist immer vorläufig. Neue Forschung wird zwangsläufig irgendwann besseres Wissen/Theorien hervorbringen. Jede Theorie muss klar definieren, unter welchen Beobachtungen/gemessenen Daten sie als fehlerhaft bzw. verbesserungswürdig angesehen werden muss (siehe besonders kritischer Rationalismus). Um es mit George E.P. Box zu sagen: „Essentially, all models are wrong, but some are useful”.
Die Wissenschaftstheorie arbeitet kontinuierlich daran, Abgrenzungskriterien zu definieren, mit denen wissenschaftliches Wissen vom Wissen anderen Quellen unterschieden werden kann.
Abgrenzung von Pseudowissenschaft
Pseudowissenschaften treten zwar mit dem Anspruch auf, die wissenschaftlichen Kriterien zu berücksichtigen, erfüllen sie aber nicht (ausreichend):
- Statt systematischer Beobachtung und öffentlichen Wissens verweisen sie oft auf anekdotisches Wissen und Testimonials, also einzelne Lobpreisungen von Betroffenen.
- Statt Theorien im Lichte unerwarteter Beobachtungen weiterzuentwickeln oder zu verwerfen, werden immer neue Schutzerklärungen und Vernebelungsstrategien angewandt
- Statt klar beschriebener Messmethoden, werden oft komplexe Phänomene stark vereinfacht und dafür aber deren Erfassung mit übermäßig komplizierten Apparaturen und Methoden „gemessen“.
Abgrenzung von Metaphysik
Im Unterschied zu Pseudowissenschaften erheben Metaphysische Theorien keinen wissenschaftlichen Anspruch. Vielmehr befassen sie sich mit
- Aussagen zu Fundamenten, Voraussetzungen, Ursachen oder „ersten Gründen“
- allgemeinsten Strukturen, Gesetzlichkeiten und Prinzipien
- Sinn und Zweck der gesamten Wirklichkeit bzw. allen Seins.
(Warum existiert die Welt? Gibt es einen Gott/Götter? Was ist Geist?)
In diesem Sinne sind Religionen metaphysische Ideengebäude, die klar von der Wissenschaft in ihrem Gegenstand und ihren Fragen zu unterscheiden sind. Religion ist über den Untersuchungsbereich der Naturwissenschaften hinaus definiert. Die Naturwissenschaften verfolgen größtenteils einen materialistischen Ansatz Ansatz und lehnen somit die Existenz von allem nicht-materiellen ab (siehe: Leib-Seele-Problem). Im Unterschied dazu gehen Religionen davon aus, dass es über das Materielle hinaus auch eine geistige Wirklichkeit gibt (=Dualismus). Meist wird sogar noch eine dritte Dimension der Transzendenz (Übernatürliches) angenommen, die nicht empirisch oder logisch prüfbar ist. Nach vielen religiösen Anschauungen ist in dieser Dimension nicht nur das "Göttliche" oder "Heilige" verortet, ihr entspringt auch die menschliche Seele. Seele wird dann nicht als Psyche, Geist oder Bewusstsein verstanden, sondern beschreibt den transzendenten Teil des Menschen. Das heißt also, dass Geist und Seele als zwei Dinge angesehen werden, die aus verschiedenen Substanzen bestehen. Somit würde das Leib-Seele-Problem zum Leib-Seele-Geist-Problem erweitert werden.
Metaphysische Theorien sind zwar von wissenschaftlichen zu unterscheiden, da sie (im Moment) nicht empirisch prüfbar sind. Sie können aber als Quelle der Inspiration für wissenschaftliche Untersuchungen und Theorien wirken und so auch Eingang in den wissenschaftlichen Prozess finden, zum Teil auch durch technischen Fortschritt in der Entwicklung neuer Messinstrumente. So war die Atom-Theorie der antiken Atomisten so lange eine metaphysische Theorie, bis die Entwicklung der modernen Physik mit ihren Methoden zur Untersuchung des Allerkleinsten einen Vorstoß in den Bereich dieser Theorie und damit ihre empirische Prüfung ermöglichte.
Alltagspsychologie in Abgrenzung zu Psychologie als exakter Wissenschaft
Alltagspsychologie (auch folk psychology oder intuitive Psychology) erhebt keinen wissenschaftlichen Anspruch. Das heißt, sie versucht nicht – so wie die Psychologie als Wissenschaft - den Gütekriterien empirischer Forschung zu genügen. Aber Alltagspsychologie ist gemäß ihrer Bezeichnung im Alltag verankert. Sie umfasst die vielen alltäglichen, gewohnheitsgemäßen, intuitiven Erklärungen oder Vorhersagen für menschliches Erleben und Verhalten.